Titel: Das Schwein Eine Besprechung / Rezension von Carmen Weinand |
Der Traum eines jungen, ambitionierten Mannes, groß ins Filmgeschäft einzusteigen bewahrheitet sich auf eine Weise, die so nicht geplant war.
Leonard träumt von einer solchen Karriere seit er denken kann, doch für die Verwirklichung fehlen ihm die Mittel. Als Hausmeister einer Filmgesellschaft erschleicht er sich die nötigen Kenntnisse und klaut sich dort schließlich die nötige Ausrüstung zusammen. Unglücklicherweise wird er erwischt und betätigt sich die nächsten neun Monate seines Lebens als Knasthure. Frisch entlassen, beklaut er die Filmgesellschaft erneut und kommt dieses Mal davon. Mit einer Finanzspritze der Mafia gelingt ihm die Fertigstellung eines Kurzfilms, mit dem er auf eine Auszeichnung hofft. Allerdings kommt er nicht mehr dazu, die Preisverleihung abzuwarten, denn die Mafia will ihr Geld sofort. Leonard hat mehr Glück als Verstand. Aufgrund seiner filmischen Begabung kosten ihn seine Schulden nicht das Leben, sondern lediglich einen Hoden. Anschließend verschleppt man ihn ins Nirgendwo. In einem verkommenen, abgelegenen Haus muss er fortan mit zwei heruntergekommenen, heroinsüchtigen Nutten perverse Pornostreifen für die Mafia drehen. Und die Darsteller sind nicht immer menschlich.
Noch bevor mich mein Exemplar von "Das Schwein" erreichte, begegneten mir im Netz bereits zahlreiche Meinungen. Dabei reicht die Palette von gelangweilt und enttäuscht bis hin zu bodenloser Empörung angesichts der sodomistischen Sexszenen, die in "Das Schwein" nicht selten beschrieben werden.
So hat es mich dann auch nicht sonderlich überrascht, dass die beiden drogensüchtigen Nutten sich mit Hund, Pferd, Schwein und Esel vergnügen müssen.
Abgesehen davon, enthalten die gerade mal 160 Seiten auch noch reichlich Snuff und Gore. So weit so gut.
Wenn wir jetzt den Klappentext und die darunter aufgeführte Warnung betrachten, kann ich mich nur immer wieder fragen: Warum, liebe Leute, die Ihr doch alle Augen im Kopf habt und anscheinend auch lesen könnt, kauft Ihr Euch bitte dieses Buch, um es dann angewidert in die Ecke zu pfeffern und dann völlig entsetzt zu verkünden, dass Tierpornos so gar nicht gehen? Natürlich geht das nicht! Aber es steht im Klappentext. Man weiß also bereits vorher, was da kommen könnte und man kennt evtl. bereits die zuvor erschienenen Romane von Edward Lee. Und abgesehen davon gibt es auch noch den freien Willen. Also bitte!
Was im Klappentext bereits angedroht wurde, wird dann also auch gnadenlos geliefert. Wir begegnen auch in "Das Schwein" sämtlichen sexuellen Abarten, die der menschliche Verstand sich ausmalen kann.
Das Angebot reicht von Drogenkonsum über Sodomie bis hin zur. Leichenschändung. Wer bereits "Bighead" und "Der Besudler auf der Schwelle" vertragen hat, wird auch damit zurecht kommen. Alle anderen Leser überdenken dann bitte den Genuss von "Das Schwein" noch einmal, denn auch hier ist ein wirklich stabiler Magen gefragt. Eines kann ich den Lesern auf jeden Fall garantieren - Lee hat sich auch in diesem Roman ein paar gemeine Abartigkeiten ausgedacht, die ich vorher so noch nicht gelesen habe.
Abgesehen von all dem Dreck haben wir hier noch unseren Protagonisten Leonard, der auf seine eigene armselige Art dennoch sympathisch ist. Einerseits nimmt er auf eine fast lethargische Weise jede noch so üble Katastrophe hin, so dass man sich ab und zu fragt, ob er als Kind vielleicht mal vom Wickeltisch gefallen ist. Andererseits überzeugt er durch einen unerschütterlichen Willen, seine Ziele zu erreichen. Koste es, was es wolle.
Die beschriebenen Charaktere, die aus Verzweiflung bereit sind, alles zu tun, um zu überleben, deren menschliches Desaster ihre Handlungen fast schon rechtfertigt, heben "Das Schwein" ein kleines Stückchen aus der Trash-Schublade heraus.
Wir alle wissen, was Lee kann. Darum beklage ich mich hier grundsätzlich nicht über mangelnden Anspruch. Provozieren um jeden Preis? Ja, verdammt, ja!
Im letzten Drittel des Romans bekommt die Handlung dann noch einen angenehmen Kick aus der Mystery-Abteilung, der mir besonders Spaß gemacht hat. Leider endet die Story genau dort, wo sie für mich eigentlich so richtig Fahrt aufnahm. An dieser Stelle hätte Lee den Faden gerne noch weiterspinnen können, denn das war genau mein Ding. Weitere hundert Seiten hätte ich wahrscheinlich sofort ohne Pause inhaliert. Leider war hier aber alles zuende. Bisher sind mir bei Lees Romanen noch keine Fortsetzungen begegnet. Hier wäre ein zweiter Teil wirklich lohnend.
Schließlich bleibt noch zu erwähnen, dass auf jeder Seite die Seitenzahl inmitten eines Fleckes gedruckt wurde, den man immer aus den Augenwinkeln wahrnimmt. Wenn schon ekeln, dann aber so richtig. Man hat immer ein wenig das Gefühl, das Buch sei schmutzig. Ist es ja auch irgendwie.
Das Cover ist, wie immer, in Lederoptik gehalten und schmückt ein Regal in typischer Festa-Art.
Fazit:
"Das Schwein" hält, was der Klappentext verspricht. Es ist pervers, schmutzig, blutig und abartig. Mit anderen Worten: Was drauf steht, ist auch drin. Zu Recht nicht geeignet für Leser unter 18 Jahren und zu Recht mit einer entsprechenden Warnung versehen. Trotzdem ist dieses Buch für mich als Fan von Edward Lee ein absolutes Muss und ich freue mich schon auf "Der Teratologe", der im Mai erscheint.