Fantasyzyklus von Robert Jordan Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Betrachtet man den englischsprachigen Fantasy-Markt, so wird man recht bald feststellen, daß das die letzten Jahre den Markt beherrschende Werk der Zyklus The Wheel of Time ist. Der Autor, bisher kaum bekannt, schrieb sich mit diesem Werk in die erste Riege der Fantasy Autoren. Doch fangen wir von vorne an.
Jordan legt seinem Werk eine sehr interessante Philosophie zu Grunde. Seine Welt unterliegt, wie könnte es auch anderes sein, dem steten Kampf zwischen Gut und Böse. Mehr noch: Jordans Welt steuert in regelmäßigen Zyklen auf den Höhepunkt dieses Konflikts zu, an dessen Ende die Zerstörung der bestehenden Ordnung steht. Dabei treten bestimmte Personen durch Wiedergeburten erneut auf und bestimmen das Geschick der Welt. Im Glauben der Handlungsträger und der Protagonisten ist die Zeit ein Rad, das sich dreht und ihre Schicksale einfängt und mit anderen Strängen verwebt. Mit der Vollendung einer Drehung endet ein Zeitalter und es beginnt ein neues, das aber wieder in ähnlicher Weise abläuft und mit Vollendung einer Raddrehung wiederum endet.
Das gegenwärtige Zeitalter nun neigt sich langsam dem Ende. Allmählich werden die Zeichen deutlicher, daß das neuerliche Armageddon, hier die letzte Schlacht, sich allmählich nähert. Der Dunkle König, Fokus allen Bösen, schickt sich an, seinem Gefängnis, in das er während des letzten Zyklusses verbannt wurde, zu entfliehen. Sieben Siegel binden ihn, doch diese Siegel, einst unzerstörbar, werden instabiler und brüchiger mit jedem Tag, mit dem das Ende des Zyklusses näher rückt. Doch das Rad setzt Mechanismen frei, die auch die andere Seite stärken. Seit eh und je stellte sich ein Mann dem Dunklen König entgegen. Dieser Kämpfer, ein Meister mit Magie und Schwert, wurde und wird wieder der "Drache" genannt. Dieser Name bringt zum Ausdruck, daß er zwar auf seiten der Menschen kämpft, aber ebenso ein Zeichen des Endes eines Zyklusses ist und ebenso durch seine Taten das Rad unaufhaltsam in Richtung der letzten Schlacht dreht. Gefürchtet und doch die einzige Hoffnung der Menschheit auf einen annehmbaren Wechsel der Zeitalter.
Zu Beginn des ersten Buchs weiß die Hauptperson Rand Al'Thor noch nicht, daß er der wiedergeborene Drache ist, sondern fristet sein junges Leben als Hirte in einem von allen Geschehen abgelegenen Land, als eine Magierin, eine sogenannte Aies Sedai zusammen mit ihrem Behütter, einem meisterhaften Schwertkämpfer, dessen Lebensinhalt nur darin besteht, seine Aies Sedai zu schützen, in sein Dorf kommt und ihm und seinen zwei Freunden Perrin und Mat Fragen stellt. Kurz darauf überfallen Trollocs, Krieger des Dunklen Königs und bisher für Rand nur Sagengestalten, das Dorf. Es zeichnet sich bald ab, dass Ziel der Angriff nur die Familien von Rand, Perrin und Mat waren. Moraine, die Aies Sedai, flieht mit Rand und seinen Freunden, um nicht weitere Menschen dort in Gefahr zu bringen. Ihre Flucht bleibt nicht unbemerkt und Moraine hat alleHände voll zu tun, ihre Verfolger in Schach zu halten.
Bis zu diesem Punkt wirkt die Geschichte wie ein Aufguss vom Herrn der Ringe. Die Parallelen sind eindeutig. Der Held ist quasi "am Arsch der Welt" aufgewachsen. Er verläßt seine Heimat im Kreise von Freunden und wird noch furchbar wichtig. Jedoch löst sich die Geschichte von diesem Schema. Jordan führt den Leser langsam und behutsam in sein Konzept einer sehr komplexen und verwirrenden Welt ein. Im Lauf der nächsten Bücher führt er immer mehr Hauptpersonen ein, wie die Verlorenen, Magier, die im letzten Zyklus für den dunklen König gekämpft haben und mit ihm eingesperrt wurden. Allerdings konnten diese bereits nach dem Bruch des ersten Siegels fliehen und stellen nun Rands stärkste Widersacher dar. Eine weitere wichtige Machtposition in Jordans Welt ist der weisse Turm, Heimat der Aies Sedai. Dort residiert die Amyrlin, die oberste Aies Sedai. Auch eine wichtige Rolle spielen die Weissmäntel, verblendete Verfechter, die in jedem, der sich ungewöhnlich verhält gleich einen Diener des Dunklen Königs vermuten. Tatsächlich jedoch arbeiten sie mit ihrem Verhalten diesem genau in die Hände.Die Vielzahl an Haupt- und Nebenpersonen und Handlungsschauplätzen macht sogar ein zwanzig Seiten umfassendes Glossar notwendig.
Doch zurück zum Werk. Im Laufe des ersten Bandes gelingt es Robert Jordan, das Werk auf eigene Füßen zu stellen. Faszinierend beschreibt er die Magie seiner Welt und die Rolle der drei Jungen, die mit Moraine aus ihrem Heimatdorf flohen. Es zeigt sich bald, daß nicht nur Rand ein besonderes Schicksal erwartet, sondern daß auch Mat und Perrin eine wichtige Rolle in der Zukunft der Welt spielen werden. Alle drei sind "Taveren", was sich am besten als Knoten im Webmuster des Rades beschreiben läßt. Personen die Taveren sind, beeinflussen ihre Umgebung und verändern die Lebensläufe der Menschen, die ihnen begegnen. Rand, der stärkste Taveren, wird im Laufe der Bücher so stark, daß Menschen in Ortschaften, die er besucht, auf Anhieb zu Dutzenden heiraten - oder aber alle Zwiste wieder aufbrechen, denn auf die Auswirkungen seiner schicksalshaften Begabung hat Rand keinen Einfluss. Interessanter noch ist die Tatsache, daß sich Taveren unweigerlich gegenseitig anziehen wie Magneten. Damit läßt sich auch erklären, warum diese drei "Schicksalsbringer" ausgerechnet in ein und dem selben Dorf aufwuchsen. Der Aspekt der Taverene hat auch eine wichtige Rolle bei dem Kampf zwischen Gut und Böse. Immer wieder schwingt sich die Handlung zu neuen Höhepunkten auf, während derer alle Handlungsfäden des Buchs zu einem Knoten werden und nur durch diese vielen Faktoren, die am Schauplatz einwirken, gelingt es Rand immer wieder, den Sieg davonzutragen.
Jordans Vorstellung von Magie ist auch sehr interessant. Jeder Magier bezieht seine Magie einer Quelle, Saidar genannt, die nur wenige begabte Menschen nutzen können. Überdies kommt hinzu, daß Männer und Frauen auf verschiedene Magiepools zugreifen. Während des Endes des letzten Radzyklusses vergiftete der Dunkle König die männliche Hälfte der Quelle der Magie und bewirkte damit, daß jeder Mann, der Gebrauch von der Magie macht, langfristig wahnsinnig wird. Die weiblichen Magierinnen, Aies Sedai genannt, verfolgen alle männlichen Magier und "stillen" sie, was bedeutet, daß sie ihnen die Fähigkeit nehmen, auf die Quelle zugreifen zu können.
Die detailliert und liebevoll beschriebene Welt, die dem Buch als Handlungsschauplatz dient ist jedoch nur ein Stützpfeiler, der Jordans Zyklus zu einem Bestseller werden ließ. Auch seine Figuren - seine Protagonisten - stellen für sich selbst gesehen fast eigene Welten dar - mit ihren eigenen Problemen und Stärken. Rand z. B. sieht sich oft als Spielball höherer Mächte. Er hat einen Weg zu gehen, der ihm durch Prophezeiungen der Vergangenheit vorhergesagt wurde. Mehr noch: die Persönlichkeit von Lews Terin Telamon, der letzten Inkarnation des Drachens bricht immer wieder hervor und versucht Rand zu beeinflussen. Das Problem hierbei ist, daß Lews durch die Vergiftung der Quelle wahnsinnig wurde und deshalb Rand auf jeden Fall verhindern muß, daß Lews ihn übernimmt.
Perrin droht ein ähnliches Schicksal. Er verfügt über die seltene Fähigkeit, mit Wölfen reden zu können. Diese Fähigkeit bietet gleichermaßen Chance als auch Risiken, denn hält der Kontakt zulange an, besteht die Möglichkeit, daß der Mensch all seine Menschlichkeit verliert und von tierischen Instinkten beherrscht wird.
Mat wiederum weiß durch einen Handel mit übernatürlichen Mächten, der ihn fast das Leben gekostet hat, mehr über seine Zukunft und die Vergangenheit der Welt als jeder andere Mensch auf der Welt. Außerdem, und dies ist wohl die Eigenschaft, die ihn zum Taveren macht, ist ihm das Glück stets hold. Mat gerät ebenso wie Perrin recht bald in die Rolle eine Heerführers und ebenso wie Perrin ist er mit seiner Rolle als Rands rechte, bzw. linke Hand alles andere als zufrieden.
Zum Ausgleich zum "männlichem Trio" schuf Jordan drei weibliche Hauptcharaktere.
Da ist zum einen Egwene Al'Vere, die Rands Jugendfreundin war und sich im Laufe des Zyklusses als sehr magiebegabte Person entpuppt. Überdies ist Egwene die einzige magiebegabte Frau, die über das Element der Erde verfügen kann. Im Laufe des Buchs nimmt ihr Leben mehrere Wendungen und die Figur gewinnt an Wichtigkeit.
Nynaeve ist ebenfalls eine junge Magierin. Sie stellt sich als die stärkste Magierin schlechthin heraus, jedoch kann sie aufgrund eines zum Selbstschutz erzeugten Psychoblocks nur in Momenten des äußersten Ärgers zaubern.
Zuguterletzt vervollständigt Elaine das Trio. Elaine ist eine Thronerbin, die ursprünglich eine Grundausbildung der Magie erhalten sollte, doch als Rand al'Thor als Drache in Erscheinung tritt ändert sich vieles und auch Elaines Lebensweg hat sich gewandelt, denn auch ihre "Lebenfäden" werden von den Taveren beeinflußt. Elaine gelingt es als bisher einziger Aies Sedai seit der Zerstörung der Welt, sogenannte Ter'angreale - magische zur Katalysierung und Kollektierung von Magie - herzustellen.
Im Laufe des Zyklusses treten immer weitere Hauptpersonen auf. So lernt man die Verlorenen besser kennen und deren negative Wirken. Es tauchen sogenannte falsche Drachen auf, die vor Rand von sich behaupten, selbst die Reinkarnation von Lews Terin Talamon zu sein. Rand gelingt es, sie auf seine Seite zu ziehen, doch der wichtigste von Ihnen, Mazrim Taim, kann zwar ein Segen für Rand sein, denn er hat 20 Jahre des Magiegebrauchs überstanden, ohne verrückt zu werden. Andererseits kann sein Ehrgeiz zu einer Bedrohung für Rand werden.
Ebenso wie Personen tauchen neue Völker auf, wie z. B. die Aiel, ein kriegerischen Normadenvolk, das allen Menschen in der fruchtbaren Ebene Angst einjagt. Eine Bedrohung stellen die Seanshan dar, ein Volk eines fremden Kontinent, das versucht, Einfluß auf Rands Kontinent zu gewinnen.
Und auch darüberhinaus erweitert Jordan sein Buch stetig, wie z. B. um Tel'arab'rhiod, der Traumwelt, die zugleich wirklich und irreal ist und in die nur unter bestimmten Umständen gewechselt werden kann.
Ebenso wie diese Figuren und Schauplätze führt Jordan auch seine anderen Hauptfiguren ein, wenngleich er bei der Darstellung von Frauen teilweise dazu neigt, diese mit Adjektiven wie streitlustig, dumm, machtgierig oder ähnlichen Frauen-Fantasy-Klischees zu beschreiben. Eine normale Frau kommt eigentlich im ganzen Buch nicht vor.
Und da wir schon bei den wenigen Minuspunkten von Jordans Werk sind: Manchmal hat man den Eindruck, er hätte keine Idee, wie sein Werk eigentlich verlaufen soll. Öfters wird mit Prophezeiungen auf Ereignisse angespielt, die noch kommen werden, aber von Buch zu Buch schreitet die Handlung langsamer voran. Der Grund liegt wohl in der schier unüberschaubaren Zahl an Protagonisten (ca. 20 Hauptfiguren und mindestens weitere 40 Nebenfiguren), denen der Autor versucht gerecht zu werden. Die Folge ist, daß er Handlungsebene für Handlungsebene durcharbeitet und dies braucht Zeit. Das sechste Buch war bisher das dickste und war umfangreicher als der Herr der Ringe. Überdies habe ich nicht den Eindruck, daß Jordan seinen Zyklus mit den nächsten drei, vier Bänden abschließen wird, sondern, daß der Zyklus wohl auf bis zu zwanzig Bände wachsen kann (wohlgemerkt, die deutschen Ausgaben sind jeweils Teil eines Buchs und die 12 bisher erschienenen Bücher bei Heyne sind erst die ersten fünf Bücher). Aber trotz alledem: es lohnt sich, dieses Werk zu verfolgen, denn in meinen Augen ist es das beste Fantasy-Werk der 90er.
Das Rad der Zeit - Zyklus-Übersicht