Titel: Das Haus der Treppen Originaltitel: The House of Stairs (1974) Autor: William Sleator Übersetzung: ~ Verlag/Buchdaten: Deutscher Taschenbuch-Verlag oder auch bei Jungbrunnen Verlag, 174 Seiten, 1992, ISBN 978-3702655549
Eine Rezension von Ulrich Blode |
William Sleator schildert in Das Haus der Treppen die Erlebnisse fünf Jugendlicher, die Opfer eines Experiments werden. In einem Labyrinth aus Treppen müssen sie überleben und sich mit sich selbst sowie den anderen auseinandersetzen.
Die fünf Jugendlichen Lola, Oliver, Peter, Blossom und Abigail erwachen an einem unbekannten Ort, der nur aus Treppen besteht. Wände, Boden oder andere Grenzen ihres Gefängnisses sind nicht zu sehen. Aus dem Labyrinth der Treppen gibt es für die 16-jährigen kein Entkommen. Nacheinander finden die Jugendlichen zueinander und machen sich bekannt. Eine Gemeinsamkeit haben sie: Alle sind Waisen. Somit wird auch kein Familienangehöriger die fünf vermissen. Vier der fünf haben eine Kindheit in staatlichen Heimen hinter sich: Oliver ist ein Junge mit sympathischem Äußeren, jedoch mit einer inneren Unsicherheit behaftet. Abigail ist ebenfalls als hübsch einzuordnen und ein ausgleichender Charakter. Während Peter ein Träumer ist und erst lernen muss sich zu verteidigen, ist Lola rebellisch, zielbewusst und zuweilen verletzend. Haben diese vier eine lange Zeit in Heimen verbracht, lebte Blossom bis vor kurzem bei ihren reichen Eltern, die aber gestorben sind. Blossom ist ein widerwärtiger Charakter, der intrigiert und nur an seine Vorteile denkt.
Nach einer schwierigen Suche findet man eine Toilette, die sich auf einer schmalen Brücke befindet, ebenso einen Nahrungsapparat mit bunten Lämpchen. Durch bestimmte Bewegungen, regelrechte Tänze, reagiert die Essensmaschine und gibt Nahrung heraus. Die Tänze werden in Reaktion auf die bunten aufleuchtenden Lämpchen immer komplexer, weil nur so die Maschine genug Nahrung hergibt. Dieser Zustand ist aber nicht von Dauer, der Nahrungsapparat verweigert den Jugendlichen genügend Nahrung. Wieder stehen die Jugendlichen vor einem Rätsel. Als es zu Handgreiflichkeiten kommt, gibt es plötzlich wieder Essen. Lola erkennt, dass Streitereien und Kämpfe die Maschine zufriedenstellen. Immer stärker gerät man physisch und psychisch in den Bann des Nahrungsapparates, denn das Essen wird knapp. Die vormals dicke Blossom versucht die Fleischröllchen zu horten. Peter und Lola ziehen sich zurück, um dem Reflex zu entgehen, bei Aufblinken der Lämpchen zu tanzen anzufangen und Kämpfe auszufechten. Dafür gehen Oliver, Blossom und Abigail auf sie los und werden reichlich belohnt. Als Peter und Lola ausgehungert sind und kurz vor dem Aufgeben stehen, kommt ein Aufzug und rettet alle.
Nach einem Krankenhausaufenthalt erfahren die Jugendlichen, was mit ihnen geschehen ist. Das Experiment sollte dem Verhaltenstraining dienen, welche Methoden und Individuen am besten geeignet sind. Durch die Verweigerungshaltung Peters und Lolas sieht der Chefwissenschaftler das Experiment als gescheitert an. Ein Ziel ist die Schaffung einer dem Präsidenten treu ergebenen Eliteeinheit. (Anm.: Diese Erklärung klingt unrealistisch, gibt es doch bestimmt effizientere Methoden.) Außerhalb des Instituts gehen Oliver, Abigail und Blossom an einer Ampel vorbei. Als die Ampel umschaltet, beginnen die drei zu tanzen ...
Das Haus der Treppen ist gut geschrieben. Die Charaktere unterscheiden sich sehr deutlich voneinander, was für ein Jugendbuch sicherlich hilfreich ist. Die meisten Leser werden bestimmt mit einem der Jugendlichen mitfiebern können.
Das Ende wirkt ein wenig aufgesetzt. Ich habe nie verstanden, warum das Experiment für gescheitert erklärt wird. Es ist kaum zu erwarten, dass sich alle Menschen gleich verhalten. Außerdem sollten die Wissenschaftler sich darüber klar sein, dass gerade Lola und Peter als Erfolg gelten müssten. Einerseits halten sie zueinander, andererseits handeln sie eigenständig genug, um auf veränderte Situationen einzugehen. Wie der Schluss beweist, sind die anderen drei nur noch bloße Automaten und reagieren auf äußere Anreize, ohne nachzudenken, was zu Fehlverhalten führen kann. Ob daraus Elitesoldaten hervorgehen sollen? Über die gesellschaftliche Bedeutung dieses Experiments und die dahinter steckende Philosophie kann man diskutieren. Sleator nimmt diesbezüglich keine Stellung. Das Ende weist jedoch auf die verhängnisvolle Entwicklung totalitärer Systeme hin. Der überwiegende Teil des Romans, nämlich die Geschehnisse im Haus, sind spannend geschildert.
William Sleator, geboren 1945, wuchs in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri auf, in einem Elternhaus, in dem Literatur und Musik eine große Rolle spielten. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm mit dem preisgekrönten Science-Fiction-Roman Das Haus der Treppen.
An der Science Fiction schätzt er die Beschäftigung mit realen naturwissenschaftlichen Tatsachen und neuesten Forschungserkenntnissen sowie unerklärlichen Phänomenen. Außerdem schätzt er die Herausforderung, die Leser glaubhaft in den Bann einer anderen Welt zu ziehen, die spekulativ und frei erfunden ist, aber trotzdem vorstellbar sein muss.
Themenbereich "Phantastik für Kinder und Jugendliche"
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