Serie/Reihe: Die Chroniken der Anderwelten, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Dass in Hessen noch andere Dinge geschehen, als man auf den ersten Blick wahrnimmt, liegt nicht nur an der dortigen Politik, sondern auch an einem Portal, welches sich auf der Burg Grauenfels seit langem unerkannt tief unter deren Gemäuer befindet. Das Portal verbirgt den Eingang zu einer anderen Welt, zu einer riesigen unterirdischen Kammer, die nur selten mit der Oberfläche verbunden ist. Als eines Tages zwei pferdeähnliche Wesen in der Burg Grauenfels auftauchen, sind die Familienmitglieder der Burgherren maßlos erstaunt. Nicht nur, dass sich im Speisekeller hinter diversen Weinregalen eine Treppe befindet, die sich scheinbar endlos in die Tiefe zieht, nein, die beiden Pferdewesen besitzen Intelligenz und sprechen - einmal davon abgesehen, dass ihr Oberkörper dem eines Menschen durchaus ähnelt. Eva, der jüngste Spross der Familie, nimmt sich der beiden an und muss sie alsbald zusammen mit Friedrich und Otto - den Burgherren - gegen die auftauchenden Soldaten verteidigen, die aus den Untiefen des Burgkellers hervorkommen. Offenbar scheint die Evolution in der Tiefe der Erde nicht nur einen anderen Weg eingeschlagen zu haben, es haben sich auch die dort lebenden Menschen die zivilisatorische und industrielle Ebene des Hochmittelalters bewahrt. Die Pferdewesen werden von der dortigen Gesellschaft als Sklaven gehalten - und dienen auch als fleischgewordenes Bollwerk gegen unheimliche, geflügelte Dämonen, die die Menschen dort bedrohen (also die Dämonen, die in jedem gruseligen Werk, sei es Buch oder Film, vorkommen, ziemlich lästige Wesen...).
Während also Peter Lancester erzählt, wie sich moderne Menschen mit mittelalterlichen Soldaten und Priestern bekriegen und sich Eva zärtliche Gedanken mit einem der Pferdewesen teilt, führt der Autor mit den Erlebnissen aus dem Tagebuch des Wilhelm von Grauenfels eine zweite Handlungsebene ein. Dieser Wilhelm, Burgherr im Jahre des Herrn 1400, entdeckt ebenso das Portal tief unter seinem Stammsitz und beginnt die dortigen Ländereien zu besetzen. Durch das dort gewonnene Gold schafft er sich ein beachtlliches Einkommen. Jedoch treffen die in Unterhessen - so nennt Wilhelm sein neues Reich - lebenden Menschen dort bald auf die oben erwähnten Dämonen und beginnen zudem gegen ihren Burgherrn zu rebellieren. Wilhelm verliert sein Leben und nicht sehr viel später wird der Eingang, das Portal nach Unterhessen, von außen geschlossen.
Peter Lancester präsentiert hier eine faszinierende Idee - ein Land unter unseren Füßen - ohne dabei albern entsprechende Ideen diverser Verschwörungstheoretiker aufzugreifen. Jedoch hat das Buch das große Manko, dass es sich nicht entscheiden kann, ob es nun ein Werk für Jugendliche oder für Erwachsene darstellen soll. Die Erlebnisse Evas sowie die überall im Buch angebrachten Fußnoten sprechen für Ersteres, wobei die angedeutete Liebesgeschichte zwischen dem einen Pferdewesen und Eva eher als Fehler des Autors einzustufen ist - scheint das Ganze doch ziemlich absurd. Zudem leidet das Buch an der Charakterisierung der einzelnen Personen - lediglich Wilhelm und Eva bekommen im Roman genügend Platz, um ihr Wesen darstellen zu können - jedoch wird das ziemlich in die Länge gezogen.
Im Gesamten betrachtet, muss ich Rupert Schwarz (seine Rezension zu diesem Buch findet man hier) Recht geben - der Roman beginnt ziemlich dröge und bekommt erst im Laufe der Ereignisse mit Wilhelm und dem Angriff der Soldaten in Burg Grauenfels Fahrt. Jedoch sehe ich nicht so optimistisch auf Band 2 wie Rupert, wird dort wohl die Expedition der modernen Menschen in das weite Land Unterhessens geschildert werden - mit Eva an der Spitze. Dabei hoffe ich, dass der Folgeband nicht allzusehr in die Jugendliteratur abdriftet, was den Lesespass meinerselbigen ziemlich drücken würde - habe ich doch meine Jugendjahre hinter mir. Für 14 bis 17jährige, die Spaß an phantastischen Abenteuergeschichten haben, dürfte der Roman jedoch ein gelungenes Geschenk sein und auf große Gegenliebe stoßen.