Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Romane schreiben kann jeder. Zumindest fast jeder, nun eigentlich nicht so viele, aber immerhin genügend, um eine ganze Menge Romane auf den Markt zu werfen, bei deren Inhalt es dem durchschnittlich gebildeten Leser geradezu schwindlig wird. Ich könnte jetzt ein paar Namen nennen, jedoch wäre dies zu sehr geschmacksbezogen. Kurzgeschichten jedoch sind so etwas wie der Heilige Gral eines jeden Schriftstellers. Während man bei einem Roman die Zeit hat, auch schlecht eingeführte Hauptpersonen während 300 und mehr Seiten auf sein Ziel zutorkeln zu lassen, muss es bei einer Kurzgeschichte aufs erste Mal klappen. Langwierige und komplizierte Handlungsstränge verbieten sich von selbst - nach wenigen Seiten sollte die Geschichte auf den Punkt kommen und auf das Element zu steuern, das den Reiz einer jeden fiktiven Geschichte ausmacht: die Pointe. Mit dieser steht und fällt nicht nur jeder Roman, sondern insbesondere die Kurzgeschichte. Hier zeigen sich die wahren Stärken eines jeden Autors, ob er statt Geschwafel auch die Phantasie und die schriftstellerischen Fähigkeiten besitzt, auch in der Kürze die Würze einzubringen.
Jürgen Müller hat mit seiner ersten Kurzgeschichtensammlung Die Gedanken sind frei schon seine Fähigkeiten hierzu bewiesen und kann dies mit seinem neuen Werk Das Bbk-P weiterführen.
Knapp 40 Shortstories aus der Science Fiction, natürlich nicht ohne die eine oder andere Prise Fantasy oder Horror, liefern wieder einmal gelungenen Stoff für die Unterhaltung, führen jedoch auch oft zum Nachdenken, Schmunzeln oder Schauern.
In diesem Buch hat sich Jürgen Müller mehr oder weniger der Apokalypse gewidmet - sei es im wahrsten Sinne des Wortes oder als persönliche Katastrophe der Hauptperson. Es sei mir erlaubt, auf einige der Kurzgeschichten genauer einzugehen:
Gleich die erste, Umgeleitet, schildert eine Art konsequente Umsetzung von Douglas Adams Mahnung, während seiner Evolution ja nicht von den Bäumen zu steigen, wenn nicht gar ja nicht das Wasser verlassen - es führt nur zu Ärger... Das hier eine ganze Rasse auf der Strecke bleibt, versteht sich da fast von selbst.
In den Geschichten Schnittfleisch und Der nächste Bitte! widmet sich Jürgen Müller dem Bösem in uns - den Gelüsten, Gewalt anzuwenden, zu morden und zu meucheln - und das ohne rechtliche und moralische Konsequenzen. Das diese keinesfalls aus der Welt zu schaffen sind, müssen die Charaktere in diesen beiden Werken recht schnell erfahren.
Favourit auf eine der vorderen Plätze ist Retourkutsche. Hier versucht sich die langsam, aber sicher vergreisende Menschheit, ihren Alten zu entledigen. Jedoch hatten diese Idee schon andere und so kommt es schlussendlich noch bitterer als es vorher schon war! In ein ähnliches Horn stösst Wie du mir, so ich dir!, jedoch auf einer wesentlich galaktischeren Ebene. Schadenfreude ist eben die beste Freude, das denken sich auch diverse Aliens!
Das Jürgen Müller es versteht, die Leser auf eine falsche Fährte zu schicken, beweisen Geschichten wie Terra formt Welten wie genormt. Die Pointe wird zwar erahnt, jedoch die Konequenz hieraus überrascht und lässt einem die Mundwinkel nach oben wandern.
Die dem Band namensgebende Kurzgeschichte Bbk-P widmet sich wie einige andere in diesem Buch dem persönlichen Schicksal eines Menschen. Seien es in anderen Erzählungen wildernde Schatten oder alternde Ehefrauen die auch noch unsterblich werden wollen, so muss sich der tragische Held dieser Geschichte im wahrsten Sinne des Wortes um sich selbst kümmern, sind ihm doch während eines Experimentes eine hübsche Menge Zellen abhanden gekommen, die nun ein selbstständiges Eigenleben beginnen. Nun muss er mit sich selbst klarkommen - wortwörtlich!
Neben der Thematik der Unsterblichkeit scheint Müllers zweiter Lieblings-Themenbereich sich der Umgehung oder der wortgenauen Einhaltung physikalischer und astronomischer Gesetzmässigkeiten zu widmen. Allzuoft scheitern Müllers Helden in seinen Geschichten an Überlichtgeschwindigkeiten oder Zeitreisen. Und ganz böse wird Müller wenn er sich als Voyeur gleich dem Untergang der Erde widmet - nicht mit einem einfachen BUMM, sondern gleich mit grossen Brocken und Schaaren von UFOs am Nachthimmel, die sich am Leid der Menschen ergötzen. Böse - aber unterhaltsam, wie in der Geschichte Impact etwa, welche ebenso zu meine Favoriten zählen dürfte.Und noch eine Umdrehung der Daumenschraube liefert Müller mit Geschichten wie etwa Eingespannt, in der die Menschheit ihren wahren Wert im Vergleich zu anderen Rassen und Wesen erfährt - nämlich keinen!
Umglaublich, welchen Ideenreichtum Jürgen Müller in diesem Band wieder bewiesen hat, der ausgewählte Werke der letzten beiden Jahre enthält. Ein Muss für den Freund unterhaltsamer und gepflegter Science Fiction mit einem Schuss Ironie, einem Quentchen Nachdenklichkeit und einer Prise Selbsterkenntnis!
Meine Bewertung: 10 von 10 Punkten
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