Titel: Dark History Eine Besprechung / Rezension von Markus Solty (weitere Rezensionen von Markus Solty finden Sie auf seinem Blog Horror & Co.
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Das Online-Magazin Geisterspiegel.de, oder besser gesagt das Team des Online-Magazins um die Herausgeber Anke und Wolfgang Brandt, bringt seit 2008 in Zusammenarbeit mit Joachim Ottos Romantruhe auch eigene Anthologien unter das lesende Volk. Allen vier bisher erschienenen Anthologien ist gemein, dass sie mit dem Wort „Dark“ beginnen. Das impliziert, dass man sich mit der dunklen Seite eines Themas beschäftigen möchte. Die erste Anthologie DARK FUTURE befasst sich mit Science Fiction, die zweite DARK VAMPIRE mit der dunklen Seite der Vampirgeschichten, also abseits jedweder romantisiereter Glitzervampire, wie sie eine Zeitlang „in“ waren und die vierte 2013 erschienene Anthologie DARK CRIME beinhaltet dunkle Kriminalgeschichten. Hier soll es sich aber um die 2012 erschienene dritte Geisterspiegel.de-Anthologie DARK HISTORY drehen. Der Titel legt es wieder einmal Name. Die 10 Geschichten sollen alle einen Geschichtsbezug und gleichzeitig einen düsteren oder phantastischen Einschlag haben.
Die erste Geschichte des Bandes, „Das düstere Schicksal der Susanna Le Fanu“ von Bernd Perplies spielt im Irland des Jahres 1857. In seinem Tagebuch erzählt uns Thomas Kentham, das der Autor Sheridan Le Fanu eine reale Vorlage für seine heute klassisch zu nennende Vampirgeschichte „Carmilla“ hatte. Ein sehr überzeugender Beginn. Eine Hommage an klassische Vampirgeschichten. Neben „Carmila“ denkt man bei der Tagebuchform natürlich sofort an den Vampirklassiker schlechthin Bram Stokers „Dracula“. Perplies schafft es, trotz des eher beschreibenden Tagebuchstil eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen.
Leider fallen die nächsten beiden Geschichten etwas ab. „Akasha, die Kriegerin“ von Gunter Arentzen spielt im Alten Ägypten. Erzählt wird die Vorgeschichte von Akasha, die auch in einigen von Arentzens Serien (Christoph Schwarz, Jacqueline Berger) eine Rolle spielt. Die Kriegerin Akasha ist von Geburt an dem Totengott Osiris gewidmet und wartet darauf, dass ihre Bestimmung erfüllt wird. Mir behagt der Erzählstil nicht und die Geschichte ist mir etwas zu simpel gestrickt, als dass sie mich überzeugen kann.
Weiter geht es dann im amerikanischen Bürgerkrieg. In Alfred Wallons „Nachtreiter“ scheint ein unheimlicher Reiter der Vorbote des Schicksals zu sein. Ein bisschen hatte ich bei dieser kurzen Geschichte den Eindruck, dass auf Biegen und Brechen versucht wurde, ihr einen unheimlichen Einschlag mitzugeben. Stilistisch gibt es nicht auszusetzen, aber es wirkt alles sehr bemüht und lässt beim Lesen keine Stimmung aufkommen.
Die nächste Story ist dann wieder ein Treffer: „Gargoyles über Paris“ von Andreas Zwengel macht einen Heidenspaß. Paris im 17. Jahrhundert. Die Gargoyles der Kathedralen und Kirchen der Stadt erwachen zum Leben und greifen die Bevölkerung an. Der Protagonist ist in einer Zeitschleife gefangen und erwacht jedes Mal nach seinem Ableben wieder am selben Ort, um seinen Auftrag zur Gänze zu erfüllen. Hier stimmt die Mischung zwischen Historie und Phantastik. Das Thema der Anthologie ist getroffen und Zwengel versteht es, eine gute Geschichte zu schreiben.
Mara Laues „Barde der Nacht“ ist eine Vampirgeschichte. Ein Geschichtsprofessor wird nach seiner Vorlesung zu einem alten römischen Bericht gefragt. Was dann folgt ist eine Erzählung von Ereignissen, die im ersten Jahrhundert n. Chr. In Britannien geschehen sind. Es geht um römische Legionäre und keltische Vampire. Die Sprache der Geschichte wirkt etwas hölzern, es gibt auf der kurzen Seitenzahl mehr Fußnoten als in manch wissenschaftlichen Text und das Ende ist arg vorhersehbar. Die Geschichte hat zwar Potential, aber Mara Laue verschenkt es.
Kommen wir zu meinem persönlichen Highlight des Buches: Stephan R. Bellems kurze Geschichte „Im Angesicht des Herrn“. Sie spielt im spanischen Ávila im September 1498. Tomás de Torquemada, der erste Großinquisitor Spaniens, verhört einen vermeintlichen Ketzer. Wie Bellem diese Folterung, nichts anderes ist dieses Verhör, schildert, ist sehr intensiv und beeindruckend. Diese Geschichte ist mir an die Nieren gegangen.
Die Geschichte danach konnte nur abfallen und sie tut es auch. „Die Hexe von Åland“ von Anke Brandt spielt im finnischen Åland und handelt von einer Frau die kranke Frauen heilt. Aber der Preis der Heilung ist hoch. Eine Art historische Vampirgeschichte, ich hab mich beim Lesen ein wenig an „Die Wanderhure“ erinnert gefühlt. Ich mag diese Art von Geschichten nicht und fand auch die Auflösung nicht besonders berauschend.
Thomas Jeiers „Die Hüterin des Feuers“ ist die Nacherzählung eines Schöpfungsmythos der Irokesen. Die Geschichte geht meines Erachtens nicht nur völlig am Thema der Anthologie vorbei, sondern ist auch noch sterbenslangweilig. Für mich der Tiefpunkt der Anthologie.
Nach dem Tiefpunkt kann es ja nur besser werden. „Die Tunnelratten“ ist vermutlich nicht gerade eine der besten Geschichten von Markus K. Korb. Aber selbst die etwas schwächeren Geschichten Korbs sind immer noch lesenswerter als vieles andere auf dem Markt. Anfangs lässt sich die Story an wie eine typische Vietnamkriegserzählung, wie man sie eher aus Filmen kennt, aber ungefähr zur Hälfte kippt die Geschichte in eine an Lovecraft erinnernde Schreckensvision. Wie gesagt, ich hab schon bessere Geschichten von Korb gelesen, aber gerade der Anfang hat mich sehr in den Bann gezogen. Für mich hätte es so weiter gehen können. Der Bruch passte nicht so ganz.
Zum Schluss kommt dann noch der bekannteste Name der Anthologie ins Spiel: Wolfgang Hohlbein. Seine Story „Die Seelenräuber“ wird hier von Dieter Winkler überarbeitet präsentiert. Die Kurzgeschichte spielt im Kosmos von Hohlbeins Zyklus DIE CHRONIK DER UNSTERBLICHEN und der Vampir Andrej Delãny und sein Kampfgefährte Abu Dun müssen 1666 in London gegen das Böse kämpfen. Wie in den Romanen wird auch in dieser Kurzgeschichte nebenbei eine andere Sage verwurstet. Tut mir leid, aber ich kann Hohlbein und seinem Schreibstil im Moment nichts abgewinnen und so lässt auch diese Geschichte mich völlig kalt.
So, das waren die einzelnen Geschichten im Schnelldurchgang. Was bleibt? Ich kann für mich behaupten, dass der ganze Band eines nicht hat. Eine durchschnittliche Geschichte. Die Mehrzahl der Geschichten waren in meinen Augen zwar unterdurchschnittlich. Aber vier waren dabei, denen ich einiges abgewinnen konnte. Dem Prädikat durchschnittlich am nächsten kommt noch Korbs Geschichte „Die Tunnelratten“. Aber wahrscheinlich nur, weil ich von dem Autor schon viel bessere Stories gelesen habe. Zwengels Gargoyles-Geschichte war sehr unterhaltsam und der Opener von Bernd Perplies hat mehr versprochen als das gesamte Buch halten konnte. Und Bellems „Im Angesicht des Herrn“ wird einen Platz in meiner persönlichen kleinen Kurzgeschichten-Hall-of-Fame bekommen.
Fazit: Anthologie mit starken Qualitätsschwankungen. Da die negativen Eindrücke überwiegen, kann ich keine Bestnoten verteilen, obwohl die eine oder andere Geschichte schon heraussticht. Insgesamt kann ich dem Buch aber nur eine gerade so durchschnittliche Bewertung geben.