Titel: Dark Queen: Schwarze Seele, schneeweißes Herz Eine Rezension von Doreen Below |
Zitat:
Doch heute hörte ich vielleicht zum ersten Mal überhaupt richtig hin. Ich bemerkte die Worte, die betont wurden: ehren, befolgen, respektieren, dienen, melden. Im Geist ordnete ich die Bedeutungen der Reihe nach: Erst Königin, dann Land, dann Klasse. Der Eid war ebenso ein Befehl wie ein Versprechen, eine weitere Art der Königin, von uns zu verlangen, sie und unsere Lebensweise zu verteidigen. (aus Seite 31)
Kurzbeschreibung:
In dem von Aufständen erschütterten Königreich Ludania bestimmt die Zugehörigkeit zu einer Klasse, welche Sprache du sprichst – oder verstehst. Wenn du vergisst, wo dein Platz ist, kennen die Gesetze der Königin keine Gnade. Allein auf den Blickkontakt mit gesellschaftlich Höhergestellten steht die Todesstrafe. Die siebzehnjährige Charlaina – kurz Charlie – versteht alle Sprachen, jeden Dialekt. Eine gefährliche Fähigkeit, die sie schon ihr ganzes Leben lang verstecken muss. Nur in den illegalen Clubs im Untergrund der Stadt kann sie das für kurze Zeit vergessen. Dort trifft sie den geheimnisvollen Max, der eine Sprache spricht, die Charlie noch nie gehört hat, und der beinahe ihr Geheimnis entdeckt. Und als die Rebellen die Stadt schließlich überrennen, ist er es, der erkennt, dass Charlie der Schlüssel für ihren Sieg sein könnte. Doch für wen wird Max sich entscheiden, für das Mädchen, das ihn fasziniert, oder für seine Königin?
Meine Meinung:
Es gibt Bücher, die genießt man einfach! Man blättert, blättert und schlägt die letzte Seite schließlich mit einem guten Gefühl zu, wenngleich während des fleißigen Seitenumblätterns deutlich wird, dass nicht alles perfekt ist und man eigentlich allen Grund zum Meckern hätte. "Dark Queen: Schwarze Seele, schneeweißes Herz" gehört für mich genau zu dieser Sorte Unterhaltungsliteratur. Gewiss keine Königin unter den Thronanwärtern des aktuellen Dystopien-Krieges, doch eine ansehnliche Prinzessin war dieser Serienauftakt für mich durchaus. Nicht alles ist Stroh, nicht alles ist Gold, für eine mittelklassige Zukunftsvision im märchenhaften Gewand reicht es aber allemal.
Der Prolog öffnet bereits eine Pforte, die düstere Magie versprüht und somit zu dem leicht märchenhaften Setting des Königreiches Ludania passt, in dem die siebzehnjährige Charlaina (Ich-Perspektive) als Tochter einer Kaufmannsfamilie aufwächst und täglich zu überleben versucht. Kein Zuckerschlecken! Ein falscher Blick, ein unbedachtes Wort und das All-Sprachwunder Charlie könnte am Galgen baumeln - verraten und verpönt von den eigenen Nachbarn. Schließlich lebt sie in einer weit entfernten Zukunft, in der unterschiedliche Sprachen auf die Klassenunterschiede hinweisen und ein winziger Wimpernschlag des Verstehens mit dem Tod bestraft wird. UNGLAUBLICH! Die Wurzel allen Übels findet sich rasch in der herrschenden Königin, die sich einen Spaß daraus macht, Köpfe rollen und ihre Untertanen erzittern zu sehen. Regieren kann schon verdammt langweilig sein ... muss aber nicht!
Was sofort auffällt: wie in vielen anderen Romanen dieses Genres auch, spielt die Handlung in einer modernen und doch mittelalterlich angehauchten Kulisse. Clubs, verlassene U-Bahnschächte und ein strenges Checkpointsystem sorgen für ein futuristisches Feeling. Als krasser Gegensatz thront eine bitterböse wie diktatorische Königin über allem, gekrönt mittels eines nicht vorhandenen Rechtsystems. Das Rebellen da nicht weit sind und emsig Pläne schmieden, ist wohl kein Wunder. Eine Dystopie ohne den Wiederstand geht eben nicht und entsprechend wird es für die fürsorgliche wie schlagfertige Charlie mitunter gefährlich, wenn plötzlich Bomben gezündet werden und sie ordentlich Fersengeld geben darf. Spannend!
Eine herzerweichende Lovestory ist selbstverständlich ein MUSS! Ja, wieder einmal lässt ein schnuckeliger Fremder mit einem hohen Beschützerinstinkt, Max genannt, nicht lange auf sich warten. Ein Blick genügt und das Feuer der Liebe wird entzündet. Man begegnet sich "zufällig", wehrt sich gegen die spontan erwachten Gefühle und weiß, dass die andere Person ein schwerwiegendes Geheimnis hütet. Ok, das kennen wir alles schon und nicht jeder hat Lust dazu, dieses eindimensionale Liebesspielchen in etlichen Varianten durchzukauen ... bis die Augenlider endgültig zufallen. Dennoch war ich nicht abgeneigt und die Seiten trugen plötzlich eilige Flügel, weil Kimberly Derting einfach fesselnd und gefühlvoll schreiben kann. Charlies Empfindungen werden spürbar transportiert. Da prickelt ein Kuss auf der Haut und das Adrenalin steigt, wenn es brenzlich wird. Trotz einiger (manchmal unnötiger) Up and Downs, habe ich mitgefiebert und gehofft, dass alles gut wird. Denn da gibt es ja noch diese eiserne Lady, die ein großes Problem hat ... und sogar Charlie umgibt ein Mysterium, von dem sie nichts ahnt (der Leser hingegen schon).
Bedauerlicherweise ist die Story zum Teil vorhersehbar und lässt einige Fragen in Bezug auf das erschaffene Zukunftsbild offen. Es gibt zwar Erklärungen und besonders interessant war zu lesen, warum gerade eine Frau das Zepter in der Hand halten muss. Ein komplettes Bild konnte sich mir jedoch nicht erschließen, da die Hintergründe etwas schwammig/ungenau beleuchtet werden. Was den teils berechenbaren Plot betrifft, so sind die wechselnden Perspektiven, unter anderem aus der Sicht der regierenden Boshaftigkeit (wie gemein!) und ebenso der Prolog, nicht ganz unschuldig. Hier lassen sich einfach Dinge erahnen, die man durchaus geschickter hätte verpacken können. Mal davon abgesehen, dass sie der Charaktertiefe kaum zu Gute kommen - ein weiteres Manko. Während Derting den Fokus auf Charlaina, ihre bedeutende Gabe und die anbahnende Liebesgeschichte lenkt, vergisst sie manch einer Figur, eine notwendige Hintergrundgeschichte zu verpassen. Ein Kandidat: leider Max! Bei anderen Figuren weiß sie dann wiederum zu überraschen und aus einem nervigen Stereotypus, plötzlich einen sympathischen Charakter zu zeichnen ... wenn auch nicht ganz nachvollziehbar.
Was mir am besten gefallen hat? Neben der für mich prickelnden Liebesgeschichte und der märchenhaft-düsteren Kulisse, samt Königin - DAS ENDE. Es wird wohl eine Fortsetzung mit dem Titel "The Essence" geben. Diese Tatsache ist nach dem Zuschlagen der letzte Seite allerdings nebensächlich. Anhand des undurchsichtigen Gesellschaftsbildes bleiben zwar einige Fragen offen, auf einen fiesen Cliffhanger wird jedoch verzichtet und die Story könnte in sich abgeschlossen sein. Ein Pluspunkt!
Kurz gesagt:
"Dark Queen" bietet eine nicht königliche, aber durchaus unterhaltsame Dystopie für junge Erwachsene. Es wird düster, gefühlvoll ... und leider vorhersehbar. Die "Bodyfinder"-Autorin setzt den Fokus zu stark auf Charlies gefährliche Begabung und die einhergehende Liebesgeschichte, die mittels eines märchenhaft-futuristischen Settings sowie kreativer Ideen (bezüglich der Gesellschaftsform) gekrönt werden. Leider verliert sie unterdessen den Blick für das Wesentliche. Unnahbare (Neben-)Charaktere und dürftige Erläuterungen drücken sich gegenseitig die teils stroh-vergoldete Spule in die Hand. "Schwarze Seele, schneeweißes Herz" ist also keine Königin unter den Dystopien, aber eine durchaus lesenswerte Anwärterin auf den ... leider weit verfehlten Thron.