Titel: Die Daphne du Maurier Box Eine Besprechung / Rezension von Christian Weis |
Ob die 1989 verstorbene Daphne du Maurier heutzutage noch oft gelesen wird, weiß ich nicht - drei Verfilmungen ihrer Geschichten werden als Klassiker jedenfalls immer wieder aus dem Archiv geholt und flimmern über den Bildschirm: Alfred Hitchcocks Rebecca und "Die Vögel", zudem Nicolas Roegs "Wenn die Gondeln Trauer tragen". Für Die Daphne du Maurier Box hat der Argon Verlag die Vorlagen für die beiden letzteren ausgewählt, zusätzlich noch "Träum erst, wenn es dunkel ist" und "Plötzlich an jenem Abend". Alle Erzählungen werden erfreulicherweise ungekürzt gelesen.
Die gefiederte Invasion in "Die Vögel" wirkt in der Story noch bedrohlicher als in Hitchcocks Verfilmung, weil hier das ganze Ausmaß der Attacken deutlich wird, wenn plötzlich Flugzeuge vom Himmel fallen und aus dem Radio nur noch Rauschen kommt. Hannelore Hoger hätte vor den Aufnahmen vielleicht jemand sagen sollen, wie man die englischen Namen ausspricht; bei ihr wird aus Jill eine Schill, und aus Johnny ein Schonni. Ansonsten bringt sie die Atmosphäre gut rüber. Weniger gut fand ich die Lesung der zweiten Geschichte: Der teils krächzende, teils nuschelnde, übertrieben theatralische Vortrag von Sophie Rois nervt ein wenig, aber "Träum erst, wenn es dunkel ist" ist glücklicherweise die kürzeste Geschichte der Box. Viel besser macht es Jan Josef Liefers bei "Plötzlich an jenem Abend", wo ein Kinogänger mit einer Platzanweiserin anbandelt, die zunächst nur ein wenig schrullig erscheint, aber im Lauf des Abends immer seltsamer wird. Franziska Pigulla liest zum Abschluss die vielleicht berühmteste Erzählung du Mauriers, die vor Roegs Verfilmung in der deutschen Fassung "Dreh dich nicht um" hieß. "Wenn die Gondeln Trauer tragen" ist aber ein dermaßen genialer Titel, dass ich die Umbenennung nachvollziehen kann. Die Geschichte vom schicksalsgebeutelten Ehepaar, das bei einer Urlaubsreise in Venedig mit den Visionen einer blinden Frau konfrontiert wird, ist es wert, immer wieder hervorgeholt zu werden.
Auch wenn die Erzählungen mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel haben, wirken sie alles andere als angestaubt. Alle werden von einer düsteren Grundstimmung beherrscht, in der Daphne du Maurier ihre Protagonisten langsam in Situationen hineinschlittern lässt, die bedrohliche Ausmaße annehmen. Wer auf dezenten Nervenkitzel und meisterlich inszenierte Gruselatmo steht, wird mit der hier vorliegenden Auswahl sehr gut bedient, mit der eine Autorin gewürdigt wird, die mancher Phantastikfan wohl nur aufgrund der Verfilmungen kennt - zu Unrecht.