Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Andreas Nordiek |
Mit „Cyber City Süd“ erschien nun nach „Sphinx_2“, der sowohl für den Deutschen Science Fiction Preis als auch für den Kurd Lasswitz Preis nominiert wurde, der zweite Roman aus Herbert W. Frankes Feder nach Jahren der schriftstellerischen Abstinenz vom SF-Genre. Herbert W. Franke, der zuletzt Anfang Juni auf dem Jubiläumscon des SFCD anzutreffen war, zählt seit den sechziger Jahren zu den festen Größen der deutschsprachigen SF-Szene. Bis in die neunziger Jahr hinein erschienen regelmäßig seine Werke im Suhrkamp-Verlag, dann verlegte er seine Aktivitäten auf die Bereiche Höhlenforschung und Computerkunst, bis er im letzten Jahr mit „Sphinx_2“ einen neuen SF-Roman vorlegte.
Die Handlung des Romans spielt in einer nahen Zukunft, in der die Ölreserven dieser Welt fast völlig verbraucht sind und die Restvorkommen in der chemischen Industrie verwertet werden. Mit dem Versiegen der Ölquellen versiegte gleichzeitig auch der Reichtum der ehemaligen Ölstaaten, allen voran den Staaten der arabischen Halbinsel. Einer dieser Staaten investierte seine letzten Petrodollars in den Aufbau eines gigantischen, technisch revolutionären Vergnügungszentrums namens Cyber City Süd, in dem reiche Touristen, völlig abgeschieden von der wirklichen Welt, ihre Dollars verspielen können. Dank der Weiterentwicklung der Computer- und Spieletechnik sind virtuelle Welten überaus realistisch darstellbar. Cyber City Süd stellt eine moderne Ausgabe des amerikanischen Spielerparadieses Las Vegas dar.
Hauptfigur von Frankes Roman ist die junge Madja, die weniger zum Spielen und sich Vergnügen nach Cyber City Süd gekommen ist, sondern vielmehr die Spuren ihres verschollenen Vaters sucht. Dieser war vor 20 Jahren als Wasseringenieur in diesem Land tätig, bis er in den Wirren eines ausbrechenden Bürgerkrieges verschwand. In den letzten Tagen verfasste er noch vier Briefe an seine Ehefrau und seine kleine Tochter, die Madja nun als Anhaltspunkt für ihre Spurensuche dienen.
Zu Beginn des Romans schildert Franke aber die Auswüchse von Cyber City Süd, denen auch Madja, trotz gegenteiliger Vorsätze, erliegt. Sie wird hineingezogen in die künstliche Vergnügungswelt, die mit enormen Aufwand mitten in der Wüste entstand und nun in verschwenderischer Pracht am Laufen gehalten wird. Ähnlich wie Las Vegas, welches Franke als Vorlage gedient haben könnte, wird hier ein Vergnügungsparadies am Leben erhalten, wo es vorher nur Wüste gab. Vor allem die Verschwendung von Wasser durch Springbrunnen, künstlichen Rinnsalen und Pools ist allgegenwärtig und ein Mangel an dem künstlichem Nass würde das Aus für die künstliche Stadt bedeuten.
Die Auswirkungen des versiegenden Öls auf die menschliche Gesellschaft wird von Franke nicht einmal rudimentär dargestellt. Vielmehr scheint die Weltwirtschaft dies gut überstanden zu haben, denn ansonsten würde Cyber City Süd nicht in diesem Maße florieren. Während der Roman hier sehr unscharf bleibt, konzentriert sich der Autor auf das Öl von Morgen: Wasser. Nicht nur für die Wüstenstaaten ist dies zu einem überlebenswichtigen Gut geworden, zumal man an den eigenen Süßwasserquellen wider besseren Wissens Raubbau betrieb und nun globalen Wasserkonzernen ausgeliefert ist, die mit ihrem Nowhow und ihrer Technik das goldene Nass am sprudeln halten sollen. So verhandelt die Führung des Staates gerade mit einem internationalen Konzern über die Lieferung riesiger Mengen Frischwassers.
Franke bleibt bei der Beschreibung von Problemlösungen wiederum sehr ungenau. Es ist kaum vorstellbar, dass arabische Staaten, selbst wenn sie vor zwanzig Jahren einen verheerenden Krieg über sich haben ergehen lassen müssen, nicht mittels ihrer Finanzkraft in der Lage gewesen wären Meerwasserentsalzungsanlagen in großem Stile zu bauen und so bereits sehr frühzeitig einem sich abzeichnendem Versiegen der unterirdischen Süßwasserquellen entgegengewirkt hätten.
Auch in weiteren Punkten des Romans, wie den gesellschaftlichen Auswirkungen einer Revolution und der Einflussnahme internationaler Großkonzerne auf ihnen ergebene Herrschaftsfamilien, bleibt Franke an der Oberfläche und reißt diese Themenbereiche lediglich an. Dabei handelt es sich um durchaus drängende Fragen mit denen sich bereits heute die verschiedensten Institutionen beschäftigen. Insoweit hat Franke überaus aktuelle Themen für seinen Roman ausgewählt, ähnlich wie dies bei „Sphinx_2“ der Fall war.
Im Gegensatz zu diesem, konzentriert Franke sich auf die Darstellung der Ereignisse aus Sicht einer einzigen Figur, nämlich der jungen Madja, die im Verlaufe ihrer Suche mit den Vertretern verschiedenster Interessengruppen zusammenkommt und sich so letztlich ein Gesamtbild ergibt. Die Charakterisierung Madjas und ihre persönliche Entwicklung im Romanverlauf sind Franke sehr gut gelungen. Dies konnte man in dieser Form von ihm so nicht erwarten, da er bekanntermaßen ein überaus technisch orientierter Romanautor ist. Aufgrund dieser guten Charakterausarbeitung werden die Unschärfen der Handlung und die daraus resultierenden, offenen Fragen ein wenig in den Hintergrund gedrängt.
Madjas Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit, nach ihrem Vater, tritt im Verlaufe des Romans immer stärker in den Vordergrund, wird zum Hauptteil des Romans. Eines Romans, der über ein wirklich lesenswertes Ende verfügt, welches man Franke so nicht zugetraut hätte.
„Cyber City Süd“ hinterlässt trotz einiger Schwächen einen starken Eindruck und ist von der erzählerischen Qualität höher einzuordnen als „Sphinx_2“.