Reihe: Richard Castle, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Um den vorliegenden Roman gänzlich zu verstehen, sollte man einen Blick auf die zugrunde liegende TV-Show werfen. „Castle“ ist eine Krimi-Serie, die der us-amerikanische Sender ABC im Jahre 2009 aus der Taufe hob und die sich mit aktuell vier Staffeln als vergleichsweise erfolgreich erwies. Dieser Erfolg ist zum Teil einer besonderen Promotion geschuldet, deren Bestandteile der vorliegende sowie weitere Romane sind.
Hauptprotagonisten der TV-Serie sind der erfolgreiche und überaus wohlhabende, eloquente und alleinerziehende Schriftsteller Richard Castle sowie Detective Kate Beckett, die beim NYPD bösen Buben auf die Finger klopft. Nachdem Castle seiner Roman-Figur aus über 20 Bänden – Derrick Storm -, der er Ruhm und Geld verdankt, gleichsam in Folge eines schriftstellerischen Burn Outs ein endgültiges Ende bereitete, sucht er nach neuen Herausforderungen.
Dank guter Beziehungen zum Bürgermeister von New York gestattet man ihm, Beckett bei ihrer Arbeit über die Schulter zu schauen. Für den gleichermaßen ambitionierten wie überheblichen Castle bleibt es selbstredend nicht beim Schauen, sondern er mischt sich nicht nur zunehmend in die Polizeiarbeit ein und freundet sich mit den involvierten Polizisten an, sondern er nimmt auch Beckett und ihre besondere Konstellation als Vorlage für eine neue Romanserie um die Polizistin Nikki Heat – Becketts Roman-Alter Ego - und den mehrfach Pulitzer-Preis gekrönten Reporter Jameson Rook, in dem er sich selbst verkörpert.
An dieser Stelle kommen der vorliegende Roman und die innovative ABC-Promotion ins Spiel, die einer vollkommen fiktionalen Figur – Richard Castle - eine real erscheinende Vita und ein echtes Œuvre – die „Nikki Heat“- und „Derrick Storm“-Romane - verleihen.
Als man den Immobilien-Magnaten Matthew Starr zerschmettert auf dem Fußweg unter seinem Apartment im sechsten Stock findet, ist für die Polizisten um Detective Nikki Heat schnell klar, dass es sich nicht um Selbstmord handelt, denn zu eindeutig sind die Spuren am Tatort. Da Matthew Starr kein sonderlich netter Mensch und zudem fast pleite war, ist die Zahl der Verdächtigen, die dem Mann ans Bein pissen wollten, Legion. Eine zwielichtige Ehefrau, eine abgelegte Geliebte, ein frettchenhafter Buchmacher und sein Schläger sowie ein Finanzchef, der als einziger den Überblick über Starrs miese Geschäfte gehabt hatte, sind nur einige auf der lange Liste der Tatverdächtigen. Mit Reporter Jameson Rook an ihrer Seite macht sich Heat an die Aufklärung, wobei sich der Mann von der Presse zwar einerseits als enervierend nervtötend erweist, aber anderseits auch über ganze nette Kontakte verfügt.
Auch wenn Fans der Serie zunächst enttäuscht sein mögen, dass nicht Castle und Beckett die Hauptprotagonisten des Romans sind, so legt sich diese Enttäuschung recht schnell, da nicht nur Heat und Rook ihren ebenfalls fiktionalen Vorlagen so sehr gleichen, dass die Namen nicht mehr als Schall und Rauch sind. Zudem fängt die Handlung selbst mit ihren bis zum Exzess ausgelebten Whodunit-Konzept, das den Leser – respektive Zuschauer – ein ums andere Mal in die Irre führt sowie den witzigen, leichten Dialogen und der Situationskomik, das Credo der Show so perfekt ein, dass es regelrecht unmöglich wird, Heat und Rook während des Lesens nicht als Beckett und Castle zu betrachten.
Bedauerlicherweise ist die Geschichte bei all ihrem Serien-Charme und trotz ihres gefälligen, anspruchsarmen Schreibstils nicht sonderlich spannend, zumal man spätestens ab Seite 50 weiß - wenigstens als TV-Show-Kenner -, wer der Täter / die Täterin ist.
Abgerundet wird dieser Roman durch eine „fiktionale“ Danksagung sowie ein „fiktionales“ Interview mit Richard Castle
Fazit: Ob und inwieweit man dem vorliegenden Roman Positives abgewinnen kann, hängt entscheidend davon ab, ob man die TV-Show kennt und mag – und insofern ist es ein typischer Franchise-Roman. Neulingen wird die Handlung insgesamt etwas dünn und der Humor z.T. unverständlich erscheinen, Castle-Fans jedoch werden zweifellos vom Serien-Charme eingenommen.