Reihe: Cartland, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Als der erste Teil der Serie „Johnathan Cartland“ 1974 im „Lucky Luke“-Magazin debütierte, war nicht nur der Comic-Markt mit qualitativ hochwertigen Serien wie „Blueberry“, „Comanche“ oder „Jerry Spring“ bestens versorgt, das Genre an sich hatte sich im Zuge des Italo-Westerns grundlegend gewandelt. Dennoch brachte es die Reihe trotz der schwierigen Rahmenbedingen und der frühzeitigen Einstellung des Magazins auf immerhin insgesamt zehn Alben, von denn die ersten vier im Rahmen der Splitter-Gesamtausgabe nun in einem Sammelband veröffentlicht werden.
1. Indianerfreund (Jonathan Cartland)
Nach einem kurzen Besuch in der Stadt, während dem sich der Trapper nicht nur mit Proviant und Munition eindeckt, sondern auch die schlechte Stimmung miterlebt, die offenkundig die Beziehungen zwischen Weißen und Indianern vergiftet, kehrt Jonathan Cratland zurück in die Wildnis, um seinem Trapperhandwerk nachzugehen. Am Fuß der schneebedeckten, eisigen Berge findet er zwei Oglala-Sioux, die dem Erfrierungstod nahe sind. Er bringt die Erschöpften zurück zu ihrem Stamm, wo erfährt, dass ein Krieg mit den Siedlern kurz bevorsteht, weil weiße Händler für den Tod zweier Söhne des Stammes verantwortlich sein sollen. Es gelingt Cartland zwar, die Stimmung zu besänftigen, indem er anbietet, die Armee im nahen Fort um Hilfe zu ersuchen, doch als er dort ankommt, findet er heraus, dass der neue Kommandant ganz eigene Pläne verfolgt. Und plötzlich befindet sich der Trapper selbst in Lebensgefahr.
2. Letzter Treck nach Oregon (Dernier convoi pour l'Oregon)
Cartland und seiner Ehefrau, Schneeflocke vom Stamme der Oglala-Sioux, ist Elternglück beschert: inmitten der Wildnis der Absaroke Mountains bringt die Indianerin einen gesunden Jungen zur Welt. Doch die gemeinsame unbeschwerte Zeit ist von nur kurzer Dauer: als der Trapper eines Tages von der Jagd zurückkehrt findet er Schneeflocke tot – ermordet – in ihrem Blockhaus. Dieses Verbrechen wirft den starken Mann so aus der Bahn, dass er in den folgenden Monaten nicht nur dem Alkohol verfällt und buchstäblich in der Gosse landet, sondern im Ansehen vieler Bürger Laramies zur Witzfigur erniedrigt wird. Seine Lebensweg wird erst wieder gerader, als er von ehemaligen Freunden gefunden und aufgepeppelt wird und einen Treck nach Oregon führen darf. Doch dieser Job steht unter keinem guten Stern, denn erstens lauern unterwegs Banditen den hilflosen Siedlern auf und zweitens findet Cartland unversehens eine Spur der Mörder seiner Frau.
3. Der Geist des Wah-Kee (Le fantôme de Wah-Kee)
Während Cartland in St. Louis weilt, erreicht ihn eine Depesche aus Fort Union, in der ihn die Armee um Hilfe bittet, da man einen Aufstand der Oglala-Sioux fürchtet. Auf dem Raddampfer „Iowa“ beginnt der Trapper seine Reise den Mississippi aufwärts. Doch an Bord des Schiffs befindet sich ein Saboteur, der das Schiff in die Luft sprengt; und als Cartland mit einigen Überlebenden das Fort erreicht, erfährt er, dass das Telegramm eine Finte war. Heimgesucht von Visionen und Träumen schlittert Cartland in eine Gemengelage aus Mord, Intrigen und Rache, in der nicht nur ein guter Freund sein Leben verliert, sondern in der auch eine geheimnisvolle „Femme fatale“ - Silver Blue – eine zentrale Rolle spielt.
4. Der Schatz der Spinnenfrau (Le trésor de la femme araignée)
Da Jon Cartlands Aufenthalt in San Francisco vor allem von seinem leeren Geldbeutel bestimmt wird, schlägt er sofort ein, als ihn Mister Bolton einen Job als Führer anbietet: der Trapper soll eine archäologische Expedition in das Territorium der Pueblo-Indianer führen, wo Bolton einen Schatz vermutet. Schon bald bricht die kleine Schar Abenteuer auf, darunter auch der berühmte englische Archäologe Sir Edward Raleigh sowie dessen hochnäsige Tochter Cynthia-Ann. In Fort Buchanan erreicht die Gruppe die Nachricht, dass sich ein Verbrecher namens Wolcott an ihre Fersen geheftet hat, der Bolton töten und den Schatz an sich bringen will. Als sie schließlich das Indianer-Territorium erreichen, stellt sich Wolcott jedoch als das kleinere Problem heraus, denn Rothäute überfallen den Tross und entführen Cynthia-Ann. Während der Trapper das Mädchen sucht und der Rest der Gruppe weiter dem Schatz nachjagt, wird das Cynthia-Ann nach indianischem Brauch ihrem Entführer zum Weib gegeben.
Was „Cartland“ aus der Vielzahl unterschiedlichster Western-Comics hervorhebt, sind zwei Aspekte: zum einen ist es der Blick auf eine indianische Lebensweise, der – obschon auch mit Klischees behaftet – nichts Verklärendes oder Diffamierendes an sich hat, sondern der die indigenen Völker als das zeichnet, was sie sind: Menschen mit Stärken und Schwächen, die im Individuum selbst verortet sind. Bei Laurence Harlé gibt es genauso wenig qua Stammeszugehörigkeit böse oder gute Indianer, wie es keine per se amoralischen Weißen – Soldaten, Siedler oder Forscher – gibt.
Daher fehlen konsequenterweise zweitens seinem Hauptprotagonisten weitgehend heldische Attitüden und Attribute. Johnathan Cartland ist ein Mann, dessen Lebensweg alles andere als gerade oder heroisch ist, sondern dem das Schicksal immer wieder übel mitspielt, der oft genug am Rande des Todes oder einer Niederlage steht und der mehr als ein Mal Hilfe braucht – seien es Freunde oder pures Glück -, um die Täler seines Lebens zu durchschreiten.
Dass trotz dieses vielschichtigen Charakters und des authentisch anmutenden Settings der Funke nicht recht überspringen will, liegt vor allem am schlaglichtartigen Erzählrhythmus, der sich durch zahllose Zeitsprünge auszeichnet – einige wenige Stunden umfassend, andere Tage, Wochen oder Monate –, der den Fokus mehr auf das Gesamtbild als eine im Kleinen kontinuierliche Entwicklung von Figuren und Handlung setzt und der dadurch Identifikationen erschwert.
Tadellos hingen ist das Artwork Michel Blanc-Dumonts, das zwar auch in Hinblick auf die Ausarbeitung der Zeichnungen und die milde Koloration einige (Entwicklungs-)Stufen aufweist, das sich aber hinsichtlich der Expressivität, der Dynamik und des authentischen Western-Feelings nicht hinter dem eines Hermann Huppen verstecken muss.
Ein umfangreicher redaktioneller Teil, der neben zahlreichen Covern und Skizzen, einer Einführung in die Entstehung der Serie auch eine grafisch aufgepeppte Bibliografie enthält, rundet diesen ersten Sammelband ab.
Fazit: Ein ungewöhnlich unheldenhafter Held und ein Setting, eine Handlung, die in Szenen zuweilen an den 1970'er-Film „A Man Called Horse“ erinnert, machen „Cartland“ zu einem unterm Strich originellen und spannenden Lesevergnügen, auch wenn die sprunghafte Erzählweise nicht jedermanns Sache ist.
Jumpin' Jehoshaphat!