Serie/Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Kao-tai, ein Mandarin aus dem 10. Jahrhundert, genauer gesagt Präfekt der kaiserlichen Dichtergilde neunundzwanzig moosbewachsene Felshänge, denn so viel Zeit muss sein, reist mittels eines Zeit-Kompass in das 20. Jahrhundert und landet in München. In Briefen an seinen Freund Dji-gu berichtet er auf amüsante Weise, was er so bei den Großnasen - so nennt er die ihm unbekannten Europäer - so erlebt.
Der Roman - ich weiss jetzt nicht, ob diese Bezeichnung überhaupt angesichts dieser ungewöhnlichen Erzählform angebracht ist - beschreibt in 36 Briefen die Geschichte eines fast ein Jahr währenden Aufenthalt in unserer Welt. Es ist klar, dass der Autor dieses Buch nicht wegen des Science Fiction Aspekts - genauso genommen handelt es sich hierbei eher um eine Satire als um eine phantastischen Roman - verfasst hat, sondern wegen der sich so eröffnenden Möglichkeiten, unsere Welt mit dem des alten Reichs der Mitte zu vergleichen.
Das Buch ist zu Beginn sehr unterhaltsam und anregend zugleich. Man schmunzelt und wird nachdenklich. Doch ab der Mitte zeichnet sich ab, dass das Buch insgesamt ein wenig zu lang geraten ist. Manche Dinge wiederholen sich, andere werden aufgrund der Einleitungen zu entsprechenden Passagen vorhersehbar. Dabei ist der Stil, in dem die Briefe verfasst sind, durchaus gelungen, passend und er verleiht dem Buch Atmosphäre. Auch wenn Autor Rosendorfer den Chinesen ständig darüber klagen lässt, dass die Großnasen immer keine Zeit haben (für ihn ein vollkommenes Mysterium) wäre es doch angebracht gewesen, sich ein wenig kürzer zu fasse.
Und noch etwas hat mir ein wenig die Lesefreude genommen. Man weiss nie, ob es sich bei dem Buch nun um eine Satire oder gar um ein Werk mit philosophischen Anspruch handelt, denn die sind durchaus zu finden. Rosendorfer legt wiederholt tiefe Kulturkritik dem Chinesen in den Mund um dann im nächsten Absatz wieder in die seichten Gewässer der Komik abzudriften. Manch einem mag das zusagen, mir aber nicht.
Fazit: Gute und interessante Idee, die sehr gut umgesetzt wurde, aber in der zweiten Hälfte ein wenig langatmig wird. Für Münchner oder für Leute die München kennen ist das Buch natürlich doppelt interessant, weil man in so manchen Beschreibungen vertrautes entdeckt. Nebenbei: Ich bin Rosendorfer zu Dank verpflichtet, dass er auf eine Oktoberfest Passage verzichtet hat, das wäre wohl zu platt geworden. 7 von 10 Punkten.