Serie: Black Jack, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Hochsommer 1930 in einem ärmlichen Teil Brooklyns: die drei Straßenkinder Alfonso, Vitto und Kröte steigen in einen schäbigen Laden ein, während der kleine Peanuts draußen Schmiere steht. Als sie vom Besitzer überrascht und gestellt werden, behauptet Alfonso, sie würden für Toto Moreno, den brutalen Mafia-Paten des Viertels, arbeiten und kann so der Strafe zunächst entgehen. Ob dieser Lüge reift in dem smarten Jungen der Plan, tatsächlich in den Dienst des Verbrechers zu treten, nicht zuletzt, um seiner Jugendliebe, Laura, eine Flucht aus all ihrem Elend zu ermöglichen und ihr eine erträgliche Zukunft bieten zu können.
So spricht der Junge beim Mafiosi vor und wird wider Erwarten "eingestellt", denn Moreno braucht gerade zufällig einen Boten, der Schmiergelder in der Stadt verteilt. Entgegen der Warnungen Lauras nimmt Alfonso den Job an. Zunächst geht auch alles gut; doch dann wird der Junge beraubt und der Mafiosi wird ganz sicher nicht den Verlust seines Geldes akzeptieren, zumal Moreno gerade für Al Capone eine Sache laufen hat.
Noch ärger als Alfonso trifft es den kleinen Peanuts: der wird zufällig Zeuge, wie zwei Gangster brutal ein Hure umbringen, von der sie Informationen über den Koffer erpressen wollen, den Moreno für Capone in Sicherheit gebracht hat. Als der Kleine entdeckt wird, kann er zwar fliehen, bricht sich auf der Flucht jedoch einen Arm.
Die Straßenkinder wissen, dass ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert ist, sollten sie nicht schnellstens eine Lösung finden.
Wie schon in "O'Boys" (dt. bei Ehapa), seiner Neu-Interpretation bzw. Redefinierung eines der bedeutendsten Romane der amerikanischen literarischen Klassik - The Adventures of Tom Sawyer -, widmet sich Steve Cuzor auch in Blackjack einer Kehrseite des amerikanischen Traums.
In seinen eindringlichen, intensiven Zeichnungen lässt er eine Zeit und eine Milieu auferstehen, das für große Teile der Gesellschaft von Tristesse, Armut, Korruption und Gewalt geprägt war und in denen alleine die oft trügerische Hoffnung, dem Elend zu entkommen, das Funktionieren des Systems gewährleistete. Cuzors Bilder lassen den Leser mit ihrer skizzenhaften, zeichnerischen Klarheit bzw. Reduktion auf das Wesentliche, ihrer trüben Koloration und den von Zeitkolorit geprägten, markanten Figuren die Hitze der Straßenschluchten, den Dreck und Schmutz der Hinterhöfe oder die Kargheit der Wohnungen geradezu körperlich spüren und schmecken.
Inhaltlich bzw. dramaturgisch erinnert "Blue Bell" an einschlägige Kino-Filme wie Sergio Leones "Once Upon a Time in America", wobei Cuzors Story allerdings die Zeitebene nicht wechselt, sondern ganz in der Gegenwart der fünf Kinder bleibt. Ganz nahe bei ihnen erlebt der Leser ihre Naivität, die Träume und Hoffnungen, aber auch die Verzweiflung und die gesellschaftlichen Verwerfungen jener Zeit mit, wobei weniger die vordergründige Spannung und Action, als vielmehr die Authentizität des spezifischen Milieus im Fokus des Autors liegen.
Fazit: Eine düstere, atmosphärisch hoch intensive Milieu-Studie, die sich durchaus mit Kino-Klassikern wie "Es war einmal in Amerika" mischen kann.