Titel: Blackboxbaby Eine Besprechung / Rezension von Max Pechmann |
Im Nachwort des Romans berichtet der Übersetzer Miikka Müller, dass er als 16-jähriger in einem Antiquariat in Finnland auf einen Roman mit dem Titel "Tietokonelapsi" gestoßen sei. Die Übersetzung des Titels bedeutet Computerkind. Als Science-Fiction-Fan konnte Miikka Müller natürlich nicht an dem Buch vorbei. Umso erstaunter sei er dann über den Inhalt des Romans gewesen. Keine Raumschiffe, keine Reisen durch das Universum - vielmehr ein philosophischer Dialog zwischen einem Ich-Erzähler und einem Es, einem künstlich erzeugten Bewusstsein. Als jugendlicher SF-Fan erscheint eine solche Handlung etwas enttäuschend. Trotzdem blieb Miikka Müller dieser Roman im Gedächtnis. Und das ist es, was sicherlich auch heutigen Lesern passieren wird: Die Geschichte bleibt haften.
Der finnische Autor Erkki Ahonen gehört zu den wichtigsten SF-Schriftstellern seines Landes. Sein Roman "Blackboxbaby" jedoch geriet beinahe in Vergessenheit. In dem Anfang der 70er Jahre erschienenen Buch beschreibt Ahonen ein Experiment in einer nicht genauer genannten Forschungsstation. Ein Fötus wurde aus einer sterbenden Mutter entfernt und wird nun in einem Behälter künstlich am Leben erhalten. Den Forschern bietet sich eine große Chance. Sie wollen feststellen, wie Bewusstsein entsteht. Tatsächlich scheint das Experiment zu gelingen. Der Fötus entwickelt Intelligenz. Er bekommt Zugang zu allen möglichen Datenbanken und Regierungen. Doch dann gerät das Vorhaben außer Kontrolle. Denn das künstliche Wesen will alles über den Menschen erfahren. Dabei schreckt es auch nicht vor einer atomaren Bedrohung zurück.
"Blackboxbaby" ist kein leichter Roman. Dies heißt allerdings nicht, dass er etwa langweilig ist. Er ist anspruchsvoll, tiefgründig und provokativ. Dabei greift Ahonen den damaligen Zeitgeist auf und verarbeitet soziale Ängste und Diskussionen, die heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben: Genforschung, atomare Bedrohung, Medienmanipulation. Bereits Anfang der 70er Jahre nimmt er die Idee des Internets vorweg.
Der namenlose Ich-Erzähler passt nicht ganz in das Forscherteam. Er selbst bezeichnet seine Rolle ungenau. Trotzdem oder gerade deswegen: Da sich der Protagonist von den übrigen in Schubladen denkenden Wissenschaftlern abhebt, zieht ihn das Wesen verstärkt ins Vertrauen. Lange Diskussionen entwickeln sich zwischen beiden. Dennoch bleiben sich beide fremd. Das Wesen versteht den Menschen nicht, der Mensch nicht das, was er selbst erschaffen hat. All dies vollzieht sich in einer klaustrophobischen Dichte, die vor allem dadurch entsteht, dass Ahonen die gesamte Handlung nur in dem Labor spielen lässt. Alles, was sich in der Welt abspielt, wird nur durch das Fernsehen erfasst. Hier beschreibt Ahonen skizzenhaft, wie die übrigen Menschen auf das künstliche Wesen reagieren. Es kommt zu Demonstrationen für und gegen die Intelligenz. Aufgrund der Manipulationen der Medien durch das Wesen verliert sich zunehmend die soziale Ordnung, so dass die Welt in Chaos ausartet.
Mit Sicherheit beruft sich Ahonen auf Romane wie "Donovans Hirn" oder "Colossus". Aber der finnische Autor geht noch einen Schritt weiter, indem er tiefgründiger über das Menschsein debattiert, wobei stets die Frage des Individuums im Zentrum steht. Diese Fragen interessieren das Wesen am meisten, da es selbst nicht weiß, ob es nur Teil oder Alles ist.
Die Diskussionen verlaufen keineswegs langweilig, sondern sind spannend und regen zum Nachdenken an. Es ist so, wie es der Übersetzer Miikka Müller sagt: Der Roman bleibt einem durch seine Eindringlichkeit im Gedächtnis haften. - Eine wahre Entdeckung, die hoffentlich weitere nach sich zieht!