| Serie/Zyklus: Titel: Bilder um 11 Originaltitel: Pictures at 11 Autor: Norman Spinrad Übersetzung: Peter Robert Verlag/Buchdaten: Heyne 1997
Eine Besprechung / Rezension von Christian Plötz
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Der Meister des Medienthrillers hat wieder zugeschlagen! KLAX-TV ist ein schäbiger kleiner Lokalsender irgendwo im smogverseuchten Großstadtmoloch L.A. Nachrichtensprecher Toby Inman, Sportredakteur Carl Mendoza, Wetterfee Heather Blake und der Manager Eddie Franker tun mehr oder weniger lustlos ihren Job im Dienst eines Energiekonzerns, dem der Sender gehört. Bis zu jenem Tag an dem Terroristen den Sender besetzen und das Programm übernehmen, um ihre Forderungen an die breite Öffentlichkeit zu tragen. Sie müssen eine Allianz mit der Satellitenbetreiberfirma eingehen, denn nur Einschaltquoten können verhindern, daß die Regierung, die mittlerweile der C.I.A den Fall übertragen hat, den Befehl zum Stürmen des Senders gibt. Ein mehrtägiges, nervenzerfetzendes Pokerspiel beginnt, in dem die Geiseln den Terroristen sogar helfen, denn wenn das Gebäude gestürmt wird, so die Drohung, wird eine Bombe, die mit 1 Kilo Plutoniumstaub versetzt ist, zur Explosion gebracht, und ganz L.A. kontaminiert. Diese Terroristen sind Verzweiflungstäter, die versuchen, um jeden Preis das Bewußtsein der Öffentlichkeit auf die Umweltzerstörung und die drohende Vernichtung der Biosphäre zu lenken. Es gelingt ihnen sogar, einige Forderungen durchzusetzen, sie werden zu Medienstars und Staatsfeinden No.1 gleichermaßen. Doch ihr Anführer beginnt größenwahnsinnig zu werden und stellt unerfüllbare Forderungen. In dieser ausweglosen Situation übernimmt buchstäblich Hollywood das Kommando und verschafft ihnen eine perfekt verfilmbare Lösung, die an Zynismus nicht mehr zu überbieten ist.
Anmerkung: Alles was schon "Champion Jack Barron" zu einem starken Buch machte findet sich hier wieder: der Insiderblick in die Welt der modernen Massenmedien, der an Zynismus grenzende Realismus und die schonungslose Offenheit in der Darstellung. Aber damit läßt sich die Faszination des Romans nur unzureichend erklären: Spinrad schafft das Kunststück Situationen zu schaffen, die gleichzeitig skurril und bedrohlich sind, dabei durch fast drehbuchähnliche Schilderung sehr plastisch wirken. Außerdem steigert sich der Spannungsverlauf in schwindelerregende Höhen, denn spätestens in der ersten Hälfte des Buches denkt man: "Es kann gar nicht mehr weitergehen, die Situation ist völlig verfahren"; doch genau dann tritt eine der zahlreichen, völlig abgedrehte Wendungen ein, bei der jeder der oben genannten Protagonisten mal seinen großen Auftritt hat. Alleine die Implikationen des Romanes sind schon bizarr: Terroristen nehmen die Medien als Geisel, aber im Prinzip werden sie von den Medien als Geisel genommen und müssen ihren Gesetzen gehorchen. Die Allmacht in dieser (Zukunfts?)Vision besitzt die "öffentliche Meinung"- so diffus dieser Terminus erscheint, ist er doch mächtiger als bewaffnete Terroristen oder gewählte Politiker.