Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Wiebke Schiefelbein (ElvenArcher). |
Berit Bøyum und Nils Bøyum, Cousine und Cousin, verbringen ihre Ferien gemeinsam an einem Fjord und sind unzertrennlich. Obwohl Berit mit ihren 12 Jahren zwei älter ist als Nils, was in dem Alter ja wahre Welten sind. Als das Ende naht, schlägt die Besitzerin ihres Hotels vor, daß sich die beiden eine Art Brieftagebuch schreiben sollen, um so die Trennung und Entfernung zwischen Oslo und Fjærland erträglicher zu machen. Die beiden Kinder nehmen diese Idee begeistert auf und beginnen sich an Stelle konventioneller Briefe ein Tagebuch hin und her zu schicken, in welches sie ihre Erlebnisse und Gedanken einschreiben.
Schon der Kauf des Buches steht unter sonderbaren Vorzeichen, stiftet doch eine seltsame fremde Frau einfach Geld dazu und dann findet Berit einen Brief, der wie sich später herausstellt an die gleiche Frau adressiert ist. In diesem Brief wird von einem Laden in Rom erzählt in dem Bücher stehen, die erst in der Zukunft geschrieben werden. So kommen die beiden Kinder der magischen Bibliothek auf die Spur, die Nils sogar bis nach Rom und die Kinder auf die Spur einer Verschwörung führt, die sich in ihren kühnsten Träumen - und derer haben sie viele, wie das Tagebuch beweisen wird - nicht haben vorstellen können.
Mich reizte der Titel des Buches, Bibbi Bokkens magische Bibliothek, es im Laden in die Hand zu nehmen, dann sah ich den Namen Jostein Gaarder und ich wollte es zurückstellen. Obwohl Sofies Welt eine schöne Idee als Grundlage hatte, haben mich die Aufsätze über die Geschichte der Philosophie damals doch ziemlich erschlagen und ich quälte mich nur mit Mühe durch das Buch. Der Klappentext ließ bei diesem Buch ähnliches vermuten.
Doch drei Dinge bewogen mich, es doch zu kaufen. Zum einen gibt es einen Co-Autoren - ein Grund zur Hoffnung -, dann hat das Buch nur 237 Seiten und es geht um ein Thema, um welches ich nur schwer herumkomme: Bücher.
Die geringe Seitenzahl ließ mich hoffen, daß hier nicht seitenlange Abhandlungen über die Literaturgeschichte folgen würden. Wenn ich es genau nehme, dann gibt es noch einen vierten Grund, dieses Buch ist eher ein Jugendbuch als Erwachsenenliteratur und versprach als solches durchaus mehr Unterhaltung. Naja, der Titel deutete natürlich auch einen phantastischen Bezug an - aber deswegen habe ich das Buch ja überhaupt in Erwägung gezogen...
Wie sich herausstellte, wurde ich nicht enttäuscht. Der vorliegende Roman ist ein ganz entzückendes Buch, mit viel Humor und so allerlei Wissen gespickt, wenn auch das phantastische Element etwas in den Hintergrund tritt. Allerdings spinnen die Kinder sich eine solch haarsträubende Verschwörung zusammen, dass das Werk schon aus diesem Grunde zumindest in den Randbereich der Phantastik einzuordnen ist. Es hat mir trotzdem oder vielmehr gerade deshalb Spaß gemacht zu lesen.
Die Handlung, die eigentlich sehr einfach ist, wird gewürzt durch die verschiedenen Verschwörungstheorien von Berit und Nils. Da wird aus Bibbi Bokken kurzerhand eine Serienmörderin, die in einem Schlachtergroßbetrieb arbeitet, mit allen Implikationen, die das mit sich bringt. Schließlich machen die beiden aus ihr eine Bücherhexe, von der sie nicht wissen ob sie böse ist und alle Bücher (insbesondere das Brieftagebuch) vernichten will oder ob sie gut ist und eine magische Bibliothek unter einem Gletscher aufbaut. Die beiden sind dabei so eifrig und voller Tatendrang bei der Sache, daß sich der Leser beim Lesen etwas schuldig fühlt, so als würde er tatsächlich heimlich den privaten Briefwechsel zweier Menschen "belauschen".
Ihre Theorien werden immer weiter durch jeden neuen Zwischenfall angeheizt. Da entwickeln Nils' Lehrer und dessen Ehefrau plötzlich ein starkes Interesse für den Jungen, außerdem stellt sich eine Verbindung zwischen der Frau des Lehrers und Bibbi heraus. Zudem verfolgt ein ständig lächelnder Mann, dessen Absichten auf nichts Gutes hindeuten, den Jungen. Weiter oben im Norden sieht sich Berit der Bücherhexe gegenüber, die zufällig im gleichen Ort wohnt und anscheinend über jeden Schritt der beiden informiert ist und das auch durchklingen läßt.
Die Sprache in Bibbi Bokkens magische Bibliothek ist dem Alter der Kinder angepaßt, die sich diese Briefe schreiben und aus denen sich der größte Teil des Buches zusammensetzt. Die grundverschiedenen und doch ähnlichen Charaktere der beiden kommen sehr schön in der Art und Weise wie sie sich schreiben zur Geltung und wie sie mit der Verschwörung, welche sich um sie herum abzeichnet umgehen.
Am Ende schreiben die beiden Autoren das Geschehen aus der Ich-Perspektive, als sich Berit und Nils wieder treffen. Dabei wechseln sie immer wieder zwischen den Sichtweisen der beiden hin und her, was nett zu lesen ist und dem Leser das Gefühl gibt dabei zu sein. Die Situationen werden lebendiger und es ist schon interessant zu erfahren wie unterschiedlich die beiden das Geschehen um sie herum wahrnehmen.
Gaarder und Hagerup geben so nebenbei den einen oder anderen Buchtipp, so erzählt Berit von Anne Franks Tagebuch und Nils von Winnie Puh. Neben diesen Tipps werden buchspezifische und bibliothekarische Fachbegriffe geklärt, der Leser erfährt etwas über die Buchdruckerei, begegnet Astrid Lindgren, erfährt die Ursprünge von Walter Mondale (ehemaliger Vizepräsident der Vereinigten Staaten) und lernt einige der kürzesten und interessantesten Gedichte der norwegischen Poesie kennen. Verpackt in die liebenswerten Briefe und Theorien von Berit und Nils hat mir diese Art zu lernen viel Spaß gemacht!
8 von 10 Punkten
- Juni 2005 -
Themenbereich "Phantastik für Kinder und Jugendliche"
- Autoren, Buch- und Film-Rezensionen -