Genre: Dystopie / Science Fiction / Jugendbuch
Originaltitel: ANANDA Series 1: Beta Originalverlag: Hyperion Übersetzer: Bernadette Ott Buch- / Verlagsdaten: cbt (Februar 2012), gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 416 Seiten, 17,99 EUR, ISBN: 978-3-570-16164-7 Eine Rezension von Damaris Metzger |
Das Thema
Elysia ist ein weiblicher Klon, genauer, ein Teenager-Beta-Klon in der Testphase. Sie wurde geschaffen, um reichen Celebritys auf der paradiesischen Insel Demesne zu dienen. Den Dienstbereich legen die Besitzer durch ein Tattoo auf der Schläfe des Klons fest, nachdem sie ihn gekauft haben. Klone unterscheiden sich von den Menschen durch ihr Äußeres, z.B. haben sie alle fuchsiafarbene Augen, und dadurch, das sie keine Seelen und die damit verbundenen Gefühle haben (sollten). Sie dienen ohne zu hinterfragen, bei allem, was man von ihnen verlangt. Doch Elysia merkt schnell, dass das Verhalten der Menschen gegenüber den Klonen nicht richtig ist, das sie die Klone in jeder Hinsicht ausbeuten. In ihr regt sich Widerstand. Doch wenn sie diesen offen legt bedeutet das, dass sie nicht perfekt ist. Dass sie einen Defekt hat - und auf Demesne hat dies für einen Klon den Tod zur Folge.
Die Rezension
Der Anfang: Sie will mich kaufen.
Rachel Cohn ist den meisten Lesern ein Begriff. Man kennt die Autorin hierzulande vor allem durch ihre Kooperationsprojekte mit Kollege David Levithan ("Nick & Norah - Soundtrack einer Nacht", "Dash & Lilys Winterwunder). Jetzt hat die Autorin einen eigenen Science-Fiction Roman, der Start einer neuen Serie für Jugendliche geschrieben. Und das ist ihr sehr gut gelungen!
Die Umgebung, in der "BETA" spielt kann nur als paradiesisch-künstlich beschrieben werden. Die Insel Demesne wurde für die Superreichen geschaffen. Es ist ein Privileg dort zu leben. Alles ist optimiert, vieles nicht natürlich: Die Luft wird künstlich verbessert, das Wasser violett und weich gemacht, sogar die Wellenhöhe kann gesteuert werden. Klone stehen den reichen Bewohnern rund um die Uhr für jeden Wunsch zur Verfügung und Dienstklone halten die Insel schön und sauber - hier ist alles optisch tadellos, perfekt. Und genau so "perfekt" verhalten sich die versnobbten Inselbewohner. Sie sind anspruchsvoll, ständig am jammern, hamoniesüchtig und wollen sich gegenseitig mit Prestige übertrumpfen.
Wir klettern hoch, was nicht ganz einfach ist. Oben angekommen entdecke ich, dass sich auf der anderen Seite eine versteckte Bucht mit tiefblauviolettem Wasser befindet, dessen Wellen mit goldenem Schaum an einem rosenquarzfarbenen Strand auslaufen. Das ist der Hidden Beach. - BETA, S. 81
Das Lesegefühl, das die Autorin hier vermittelt gleicht dem ersten Eindruck, den man sich nach einigen Kapiteln von der Insel und ihren Bewohnen macht. Die Geschichte wirkt sehr ruhig, künstlich beherrscht und irgendwie Lila. Dabei ist sie aber sehr einprägsam mit einer kühlen, klaren Schreibweise. Sehr passend. Filmkenner werden sofort eine Assoziation zu "Die Insel" (ET 2005 mit Ewan McGregor, Scarlett Johansson) herstellen. Natürlich ist die Handlung nicht dieselbe, aber das Setting und Verhalten der Menschen und Klone weißt einige Ähnlichkeiten auf. Auch wenn die Grundthematik ("unterdrückte Minderheit gewinnt an Stärke und plant den Aufstand") nicht neu ist, so ist es gerade der eindringliche Handlungsverlauf der Geschichte, der einen an die Seiten fesselt.
Komplett überzeugend ist die Darstellung von Teenagerklon Elysia, vor allem von der Gefühlswelt, die sie hat. Und diese sollte ja bei ihr nicht vorhanden sein. Der Spagat zwischen ihrem anfänglichen Verhalten und ihrer Denkweise später ist enorm und großartig ausgeführt. Dabei wirkt das Buch bis auf das letzten Viertel nicht gehetzt, alles entwickelt sich fast "wie in Echtzeit" und hat eine authentische Wirkung auf den Leser.
Etwas fragwürdig bleibt die starke Thematisierung von Sex und Drogen in diesem Jugendbuch. Während ersterer jugendgerecht umschrieben wird und (bis auf handlungsrelevante Ausnahmen) ein unterschwelliger Begleiter der Story bleibt, rück das Thema Drogen in einen fast schon verherrlichenden Vordergrund. Dass Jugendliche bei der heutigen Jugendliteratur und ihren Brennpunktthemen einen eher gefestigten Charakter haben sollten, zeigt sich stellenweise auch bei "BETA".
Auch in "BETA" gibt es die obligatorische Lovestory. Hier wieder in einer sehr positiven Umsetzung. Sie wirkt nicht, wie bei vielen Bücher, vorprogrammiert. Das Wer-mit-wem ist nicht von vornherein klar und kommt dann auch noch anders, als man es vielleicht vermutet. Man fragt sich sogar teilweise ob und wann denn da lovestorytechnisch noch etwas kommt soll. Es soll und gefällt! Und das auf eine etwas andere, aber sehr gefühlvolle Art.
Die letzten 100 Seiten werden sehr rasant und, nach der anfänglichen paradiesischen Ruhe und lila Einfarbigkeit, schon fast zu bunt. Da wird noch einmal richtig dick aufgetragen und so manches Klischee in die letzten Seiten gequetscht. Mitreißend ist es trotzdem ... bis dann wieder ein mal ein gemeiner Cliffhanger für große Augen und frustriertes Aufstöhnen sorgt. Wann, bitte, kommt Band 2?
Das persönliche Fazit
"Huch", dachte ich am Ende. "Das war jetzt aber ganz schön krass!" Ich mochte dieses Buch sehr gerne. Da ich den Film "Die Insel" mag und sich für mich ein ungefährer Vergleich mit "BETA" förmlich aufdrängte, entsprach die Geschichte meinem Sci-Fi-Geschmack. Rachel Cohns nüchterner und unterschwellig-gefühlvoller Stil ist super. Und obwohl nicht alles in der Geschichte neu ist, gibt es einige Szenen und Wendungen, die es ganz schön in sich haben. Außerdem gefiel mir eine nicht vorprogrammierte Lovestory. Den Part mit den Drogen sehe ich etwas kritisch, aber auch passend. Hier bin ich etwas zwiegespalten. Rückblickend empfand ich das Buch als eindringlich und eben ... Lila. Wobei es am Ende wohl in allen Regenbogenfarben schillern dürfte. Ob einem das zu viel, bzw. zu bunt wird, wird der individuelle Geschmack eines jeden Lesers entscheiden. Der fiese Cliffhanger am Ende schreit förmlich nach den Folgeband. Es wird spannend! 4 paradiesisch-lila Sterne.