Regisseur: Wolfgang Reitherman |
Betrachtet man diesen Film, muss man sich vor Augen halten, dass er eine Zäsur bedeutete. Bernard und Bianca war der letzte Film jener Animatoren, die noch mit Walt Disney zusammengearbeitet hatten. Insofern ist es bedauerlich, dass er nicht gerade ein herausragendes Stück Zeichentrickfilm darstellt. Man kann sich eigentlich nur wundern, warum ausgerechnet dieser Film das "Abschiedswerk" darstellen sollte: Schon die Story gibt nicht wirklich viel her: Was für die Menschen die UNO, ist für die Mäuse die "Internationale Mäusehilfsgesellschaft". Eines Tages erhält diese eine Flaschenpost von einem Mädchen namen Penny. Dieses wurde aus dem Waisenhaus von der bösen Madame Medusa entführt, die dank ihrer Hilfe einen riesigen Diamanten in die Finger kriegen möchte. Mit der Rettung des Mädchens werden Bianca, eine reich, ungarische Mäusedame, und Bernard, der nur ein einfacher Hausmeister ist beauftragt. Zusammen fliegen sie an Bord der "Albatros-Airlines" in die Teufelssümpfe um Madame Medusa das Handwerk zu legen... Um eines vorweg klarzustellen: Der Film ist gute Unterhaltung, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Die Witze sind gut, die Situationskomik stellenweise äußerst gelungen. Trotzdem ließ mich der Film nicht ganz zufrieden zurück. Zum einen ist da, wie gesagt, die Story. Man muss hier dem Story den Vorwurf der Einfallslosigkeit machen: Mäuse als Helden in einem Zeichntrickfilm? Welche Filmfigur assoziiert man denn mit Disney? Genau, die Maus (die übrigens stets Walt Disneys Liebling blieb, Donald Duck zum Trotz)! Nun gut, grundsätzlich spricht nichts dagegen, aber: Madame Medusa ist geradezu ein 1:1-Abklatsch von Cruella DeVille aus 101 Dalmatiner . Insofern wirkt der Film lieblos zusammengestoppelt aus bekannten Vorlagen bzw. Charakteren. Penny, eigentlicher Drehpunkt der Story, bleibt völlig blass. Man entwickelt kein Mitleid mit ihr oder gar Sympathie. Genau so wenig wie mit den obligatorischen Bösewichtern: Ein im Grunde sinnloser Kompagnon von Mme. Medusa und deren zwei Krokodile, die übrigens nicht sprechen können. Auch unter den "Guten" finden sich wenig ansprechende Charaktere: Eine bunten Mischung von Tieren - Mäuse, Hasen, Schildkröten, Maulwürfe, Vögel - soll den "Mäusepolizisten" (wieder so ein idiotischer deutscher Untertitel - an keiner Stelle des Films ist von einer Mäusepolizei die Rede!) beistehen. Das tun sie auch, jedoch ohne Witz und Charme. Selbst der Antagonist der Geschichte, Mme. Medusa, ist völlig uninteressant: Sie ist einzig hinter einem Diamanten her, schießt und flucht. Tatsächlich sind Bernard und Bianca die einzigen Charaktere mit emotionaler Tiefe; und Ehre wem Ehre gebührt: Bei den beiden hat man sich wirklich Mühe gegeben. Selten entwickelte Disney zwei liebenswertere Charaktere! Zeichnerisch enttäuscht der Film noch mehr: Es überwiegen dunkle Farben, passend zur düsteren Atmosphäre. Detailliertere Zeichnungen gibt es nicht - schlicht und mit wenigen Farbnuancen ist der Film ausgestattet. Von einem Disney-Film erwarte ich mir in der Hinsicht doch etwas mehr. Bedenklich fand ich die "gruseligen Elemente" des Films. Skelette und Totenschädel tauchen in der Geschichte auf (zweiterer ist sogar entscheidend für den Fortgang) und die Grundstimmung des Films ist ziemlich deprimierend und, abgesehen vom Anfang und vom Ende, mehr als düster. Für kleine Kinder könnte der Film also zu "aufregend" sein. Alles in allem: Ein eher unterdurchschnittlicher Disney-Film, den die sympathischen Mäuseprotagonisten sowie einge gute Gags retten. Definitiv jedoch kein Ruhmesblatt Disneys. Übrigens wurden vor einigen Jahren dreieinhalb Millionen Videokassetten von Disney zurückgerufen, nachdem entdeckt wurde, dass irgend jemand zwei Bilder einer nackten Frau hineingeschmuggelt hatte ...