Reihe: Der Vampir von Benares, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Die Suche nach Anjis Vater führt den Reporter Mircéa und den gemeinsamen Freund Gopal in einen heruntergekommenen Durga-Tempel. Kaum dass sie das halbverfallene Gebäude betreten und die ersten Räume, in denen ein paar Frömmler irgendwelche Rituale praktizierten, hinter sich gelassen haben, beginnt sich die Realität zu verzerren: die Räume werden zu verfallenen Hallen, ein ungesunder Nebel wabert durch die düsteren Gefilde, die Handyverbindung bricht ab und ein Rückweg wird unmöglich. Als Gopal in dem Gewaber verschwindet, ist Mircéa plötzlich auf sich allein gestellt und findet sich unversehens Auge in Auge mit monströsen Kreaturen und ihrem nicht-menschlichen Herren gegenüber. Dieses Wesen stellt sich als Ravana vor und zwingt den Reporter, in den Abgrund des Kosala, einer parallelen Dimension, einer Welt der Vampire, in der das Nest der Deva, der Unsterblichen von Benares liegt, hinabzusteigen.
Über endlose Stufen, Stege, verfallenen Brücken, deren bloße Anzahl und Dimensionen jede Vorstellungskraft sprengen, folgt Mircéa seinem unheimlich Führer in die Tiefe, wobei er während des gefährlichen Abstiegs gewichtige Dinge über die Welt der Vampire erfährt. Nach unzähligen Stunden des Wandern, Kletterns und Taumelns erreicht der erschöpfte Mann das Ziel der Reise, die Katakomben der unterste Ebene. Hier erwartet ihn nicht nur Gopal, der den Abstiegt ebenfalls überlebte, sondern auch der verschwundene Deepak, der Vater Anjis. Doch Deepak hat sich verändert, denn die Vampire haben ihn zu ihresgleichen gemacht.
Entsetzt versuchen die beiden Menschen zu fliehen. Plötzlich zerreißt die Realität und Mircéa und Gopal finden sich vor einem Tribunal, einem ganzen Hofstatt der unsterblichen Wesen wieder, welche die beiden in die Geheimnisse ihrer aller Existenz einweihen und sie ebenfalls in Vampire zu transformieren trachten, in Wesen, die das Elend und Unglück der Welt nährt, in Kreaturen, die sich die Lebensenergie – das Prana – der Menschen einverleiben.
War der erste Band noch eine eher klassische Detektiv-Geschichte mit Mystery-Sprenkeln vor einem exotischen Hintergrund, so greift Autor Bess im zweiten Album gleich mit beiden Händen in den vollen Horror. Nach wenigen Seiten ist das Detektivspielen vergessen und stattdessen entwickelt sich eine Story voller cthuloider Elemente, die eines H.P. Lovecrafts würdig wäre: monströse Wesen, die einer bizarren, zeitlosen Dimension darauf warten, die Verzweiflung, das Elend und die Not der Menschen zu trinken, und die mit den neumodischen – oder auch den stoker'schen - Vampir-Pussys so gar nichts gemein haben, nicht einmal den Blutdurst; denn Bess' Vampire sind eher Götter, denn winzige, untote Lehmklumpen.
Sicherlich ist die Story selbst dennoch nicht eine der tiefsten und komplexesten, aber immer wenn Logik, Handlung und Dialoge zu verflachen beginnen, bläst einem das atmosphärisch brillante Artwork Bess' metaphorisch das Hirn weg. Atemberaubende, ganzseitige Panoramen, cineastische Perspektiven, bizarr-bösartige Figuren, sachte eingestreute, computergenerierte Effekte sowie eine düster-stimmige, von Rot- und Brauntönen dominierte Koloration erwecken eine Welt zum Leben, die fremdartig, exotisch und beklemmend ist.
Fazit: Cthuloider Horror statt Pussy-Vampiren mit Rüschenärmeln, Stehkragen oder College-Täschchen; dazu ein grandios dynamisches, dunkles Artwork. Endlich muss sich als Horror-Fan nicht mehr schämen, das Wort „Vampir“ in den Mund zu nehmen. Ein Highlight!