| Serie / Zyklus: Kultur, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Eine Raumwerft "gebiert" ein Raumschiff, bevor sie von einer feindlichen Raumflotte vernichtet wird. Auch das Raumschiff wird von den Feinden aufgebracht, und bevor die neu entstandene KI es verhindern kann, wird das Schiff vernichtet. Mit einer letzten Kraftanstrengung kann sich das Kunstwesen auf eine Welt retten und verstecken. Doch eine solch waghalsige KI, die einen Überlichtsprung in die Hemisphäre eines Planten wagt, ist für beide Kriegsparteien ein begehrtes Objekt. Beide Seiten, die Kultur und die Idiraner, senden Jäger aus, die die KI bergen sollen. Einer von ihnen ist Bora Horza Gobuchul, den es nach einer misslungenen Kampfaktion auf das glücklose Freibeuterraumschiff Clear Air Turbulence verschlägt. Die Suche wird für ihn zu einer Obsession. Bis zum Letzten ist er bereit zu gehen, um sein Ziel zu erreichen.
Phlebas the Phoenician, a fortnight dead,
Forgot the cry of gulls, and the deep sea swell
And the profit and loss.
A current under sea
Picked his bones in whispers. As he rose and fell
He passed the stages of his age and youth
Entering the whirlpool.
Gentile or Jew
O you who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as you.
T. S. Eliot, The Waste Land, Part 4: Death by the Sea
Bedenke Phlebas, so der Titel dieses Buchs, erschließt sich nicht aus der Lektüre. Vielmehr muss man Kenner der englischen Literatur sein, um zu begreifen, was Iain Banks damit sagen wollte. Die gängigsten Interpretationen besagen, dass T. S. Eliot den Leser mit "Consider Phlebas" aufforderte, sich selbst aufzuopfern wie Phlebas, der phönizische Fischerkönig, der Christ war. Man kann es auch so deuten, dass man Christus folgen soll.
Doch was hat dies nun mit dem Buch zu tun? Ja, die Frage stelle ich mir auch immer noch. Vielleicht meinte Banks das Leid des Lesers, wenn der merkt, dass er erst am Ende des Buchs, in den Anhängen (!), endlich mehr über die Kriegsparteien, die Kultur und die Idiraner, erfährt? Wäre es nicht 10, ja 100 Mal besser gewesen, diese Information in den Roman einfließen zu lassen? Und warum ist der Epilog ein Teil des Appendix?
Oder nahm Banks mit "Bedenke Phlebas" Bezug auf das stoische Verweigern, seinen Protagonisten Tiefe zu geben? Klar, Horza hasst die Kultur, aber warum? Die Kultur-Agentin Balveda hingegen liebt und verteidigt die Kultur, aber warum? Iain Banks' Hang zum Minimalismus macht es nicht leichter, das Buch zu lesen.
Oder geht es generell um Selbstaufopferung? Immerhin schickt Banks die Besatzung des Freibeuterschiffs gleich den 10 kleinen Negerlein gnadenlos in den Tod. Dem Leser ist dies allerdings einerlei, denn so wie Banks seine Protagonisten aufbaut, sind sie dem Leser vollkommen egal. Vielleicht meinte Iain Banks damit den Leser, der sich durch 700 Seiten mit wenig Inhalt nebst sinnlosen Kapiteln (Das Fresser Kapitel war eine Zumutung) quälen muss und im Laufe des Werks immer mehr das Ende herbeisehnt? Bedenke Phlebas? Bedenke Phlebas!
Ernsthaft ausgedrückt: Der angebliche Meilenstein der SF konnte mich nur mäßig überzeugen. Schwache Charakterisierungen und eine dünne Story, vom Verfasser bewusst mit minimalistischem Handlungshintergrund ausgestattet, und ein unbefriedigendes Ende sind nicht so das, was ich mir unter einem guten Roman verstelle. Eigentlich ist es eher das Gegenteil, und mir ist es unverständlich, wie dieser Roman so emporgehoben wurde. Aber vielleicht muss ich mich mehr mit T. S. Eliot beschäftigen und mir so den intellektuellen Zugang verschaffen. Für Blicke Windwärts wird es wohl wieder nötig sein, denn auch dieser Romantitel stammte aus jenem Gedicht von T. S. Eliot. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass ich keine weiteren Romane von Banks lesen werde.
4 von 10 Punkten.
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite.
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