Reihe: Parallelroman zu Lamento Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
Ich weiß nicht, warum ich mich trotzdem an dem schwarzen Leichentuch festklammerte, das von den Schultern des Königs herabfloss. Der Tod glitzerte unter mir, so schwarz und voller Sterne wie der Himmel über uns. So etwas hatte ich bisher nie gesehen. Vielleicht hatte ich es einmal aus dem Augenwinkel erhascht - eine finstere Ahnung vom Ende. Aber noch nie war ich kopfüber und mit offenen Augen hineingestürzt.
Jemand begann zu lachen, als unsere Körper auf die Wasseroberfläche trafen.
Inhalt:
Nach den Ereignissen im letzten Sommer hat sich James noch mehr in seine schützende Hülle aus Sarkasmus und Arroganz geflüchtet. Die Freundschaft zu Deirdre zerbricht langsam, aber sicher und alles fühlt sich irgendwie falsch an. Alles, außer seiner Musik, die für ihn einer der wenigen Gründe, zu leben, ist. Dann tritt Nuala in sein Leben: Ein Mädchen, das ihn magisch anzieht, schön, berauschend anders - und nicht von dieser Welt. Nuala ist eine Fee und sie unterbreitet ihm ein unverschämt gutes Angebot. Aber ihm ist klar, dass sie dafür auch etwas verlangt...
Buchaufmachung:
Die Taschenbuchausgaben der Werke gefallen mir um einiges besser als die alten - denn die sind einfach nur 08/15. Im Gegensatz dazu spricht mich der blaue Farbklecks, aus dem schwarze Ranken wachsen, hier richtig an, vor allem, da er von außen nach innen immer dunkler wird. Der Schemen eines Jungen deutet darauf hin, aus wessen Sicht das Buch geschrieben ist. Wunderschön, originell, passend!
Meine Meinung:
Die Reihe um die "Wölfe von Mercy Falls" hat mir im Gegensatz zu vielen anderen nie wirklich zugesagt - zu ruhig, zu vorhersehbar. Dennoch wollte ich mich an dem etwas älteren Buch von Maggie Stiefvater, "Ballade" einmal versuchen - und ich bin wirklich froh darüber! Denn es gefiel mir so viel besser...
Gleich von Anfang an fällt der wunderschöne, bildhafte Schreibstil voller Vergleiche auf, der es einem leicht macht, in die komplexe Handlung einzusteigen. Den ersten Band, "Lamento", aus Deirdres Sicht, habe ich nicht gelesen, weswegen ich zwischenzeitlich etwas verwirrt war, da man zu den vorangegangenen Ereignissen nur spärliche Informationen erhält. Diese Phase legt sich allerdings schnell, da die Hinweise so eingestreut werden, dass man dennoch das Gefühl hat, nichts verpasst zu haben. So konnte ich mich schnell vernünftig in die Geschichte einfühlen und war kurze Zeit darauf auch schon mittendrin.
James ist ein in manchen Belangen schwieriger Charakter. Sehr zynisch, sarkastisch und abweisend verhält er sich seinen Mitmenschen gegenüber, damit diese nicht seine Verletzlichkeit entdecken und vielleicht ausnutzen. Seine Sprüche sind oftmals sehr witzig und geben ihm eine lockere, arrogante Art, schnell wird aber auch klar, dass er innerlich sehr sensibel ist und auf der Suche nach Geborgenheit. Nuala, das Feenmädchen ist ebenso verletzlich wie er und überspielt dies genauso mit äußerlicher Kälte und einem oftmals verächtlichen Gesichtsausdruck. Doch trotz - oder gerade wegen - ihrer frechen, aufmüpfigen Art habe ich sie schnell ins Herz geschlossen, da sie eine Kämpferin ist, sich nichts sagen lässt und sich damit von vielen anderen Protagonistinnen abhebt.
Deirdre, James' beste Freundin, kam mir sehr schwach, hilfsbedürftig und vor allem egoistisch vor. Sicherlich, auch sie hat eine schwere Zeit hinter sich, dennoch konnte ich ihre Art, sich zu benehmen, partout nicht ausstehen. Sie zieht ihren Freund immer weiter runter und tut nichts, um sich zu retten - unverständlich und in einigen Teilen auch etwas unglaubwürdig. Dagegen ist Sullivan, einer der Lehrer, der ebenfalls von den Machenschaften der Feen weiß, äußerst gut gelungen: Unterhaltsam, sympathisch und verständnisvoll versucht er, James unter die Arme zu greifen, wo er nur kann. Das macht ihn schnell zum liebsten Charakter.
Stiefvaters Geschichte entwickelt sich die gesamte Zeit über recht langsam und besitzt sicherlich auch die eine oder andere Länge, dennoch schafft sie es, zu fesseln. Durch die amüsanten Sprüche einiger Figuren sowie die Liebesgeschichte in Verbindung mit der lauernden Gefahr, die von den Elfen ausgeht, wird eine gute Balance gehalten. Es wird düster, aber nicht zu düster, fröhlich, aber keinesfalls zu fröhlich. Immer wartet schon etwas Neues, das einen in Atem hält, wodurch man gern dabei bleibt. Die Gefühle zwischen James und Nuala entwickeln sich auffallend zögerlich, was sehr gut passt - denn schließlich sind beide anfangs eher misstrauisch und durch Abneigung verbunden. Als sie sich allerdings zu verstehen und gegenseitig zu helfen beginnen, wird man von den wunderschön dargebrachten Emotionen richtig mitgerissen.
Zum Ende hin wird es dann so dramatisch, dass man nicht mehr wagt, das Buch wegzulegen, aus Angst, auf der nächsten Seite schon wieder etwas zu verpassen. Endlich werden die letzten wichtigen Rätsel gelöst, es wird noch ein bisschen düsterer und spannender und sogar ein wenig schaurig. Ein Showdown darf nicht fehlen und dieser ist absolut fesselnd, so sehr, dass ich gebannt die Luft anhielt. Die Auflösung letztendlich ist schön, wenn auch nicht überraschend. Stilvoll eben und damit ein perfektes Ende. Auf das von mir aus gern noch ein weiterer Band folgen könnte...
Fazit:
Maggie Stiefvaters "Ballade" gefiel mir trotz mangelnden Vorwissens deutlich besser als ihre momentan so hochgelobte Reihe um "die Wölfe von Mercy Falls". Die Charaktere empfand ich als wunderbar prägnant und die Geschichte trotz ein paar kleinerer Längen als sehr spannend. Die Liebesgeschichte ist perfekt eingebaut, entwickelt sich nicht zu schnell und nicht zu langsam, und reißt so schnell mit. Gute 4 Punkte!