Titel: Blutgericht in Texas Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Drei Jungs und zwei Mädchen machen in ihrem Van eine Tour durch Texas. Sie müssen tanken, aber hier im Hinterland kann es schon mal vorkommen, dass den Tankstellen der Sprit ausgeht. Weil sie nun auf die neue Lieferung warten müssen, besuchen sie das alte Haus ihres Großvaters. Das ist ziemlich heruntergekommen und unheimlich – aber noch lange nicht so unheimlich wie die Nachbarn...
Dass mit den Bewohnern der Gegend etwas nicht stimmt, ist von Anfang an klar. Der Friedhof wurde geschändet, ein Anhalter entpuppt sich als kleiner Psychopath, der sich selbst mit einem Taschenmesser in der Hand rumsäbelt und der Fotos von geschlachteten Tieren mit sich herumträgt. Ziemlich unheimlich finde ich auch die Hilfskraft von der Tankstelle. Der sitzt auf einer Bank und schlurft zum Auto der Jugendlichen herüber, um ihnen die Scheibe zu putzen (nicht sehr sauber). Als sein Boss verkündet, dass kein Sprit da ist und wieder in die Tankstelle geht, schlurft er zurück. Doch jedes Mal, wenn der Boss wieder auf die Jugendlichen zugeht, schlurft er wieder zum Bus, und wieder, und wieder. Wie ein schwachsinniger Hund, dem man nur ein einziges Kunststück beigebracht hat.
Wie wir im Bonus-Material erfahren ist die Angst vor Inzest in den Amerikanern tief verwurzelt, und Texas ist diesbezüglich sehr in Verruf gekommen, weswegen das Texas in Texas Chainsaw Massacre genauso gruselig rüberkommt wie Chainsaw und Massacre.
Der Inbegriff des Inzests ist Letherface. Der nette junge Mann mit der Kettensäge ist ein stattlicher Bursche, aber er versteckt sein Gesicht unter einer Maske aus abgezogener Menschenhaut. Dass mit ihm was nicht stimmt, erahnen wir, als seine Zunge aufgeregt über missgestaltete Lippen huscht. Normalerweise bekommen Männer wie er nicht die Frauen, aber was ihm an Aussehen fehlt, das macht er durch seinen Charm wieder wett. Er schnappt sich die Mädels einfach (und die Jungs auch), und dann zeigt er ihnen die Kettensäge. Und den Vorschlaghammer, und den Haken. Oh ja, Letherface hat viele Eisen im Feuer.
Letherface ist mittlerweile Legende, und sein Name wird in einem Zug mit Jason Voorhees und Michael Myers genannt. Der Film wurde 1973 gedreht, und he, mit der Flower Power war es endgültig vorbei.
Die berühmtesten Slasher:
1974 Texas Chainsaw Massacre
1978 Halloween
1980 Freitag der 13.
Wir sehen also, dass das, was wir heute als klassischen Teenie-Horrorfilm kennen, hier zum ersten Mal auf die Leinwand kam. Als Horrorfan kennt man diesen Film natürlich. Als Deutscher wahrscheinlich nur vom Hörensagen, denn bis vor Kurzem war der Film (den das New Yorker Museum of Modern Art als Kunstobjekt aufgenommen hat) nicht nur auf dem Index, sondern sogar beschlagnahmt. Und das, obwohl man das böse Wort Kettensäge (das in den Augen der Zensoren genauso schlimm ist, wie Zombie) aus dem deutschen Titel strich. Blutgericht in Texas hätte auch ein Western sein können (von denen sind die meisten mit FSK 12 gesegnet, mit Ausnahme gibt es ein FSK 16, aber nur bei ganz grausamen Streifen mit Clint Eastwood).
Dabei ist der Film gar nicht so schlimm. Man hat zwar den Eindruck, dass die Kettensäge sich brummend durch zuckendes Fleisch fräst, und dass junge Mädchen von Haken durchbohrt werden, dass das Blut nur so spritzt – aber man sieht es nicht. In diesem extrem berüchtigten Film sieht man kaum Blut.
Das wurde ihm allerdings bei der Zensur (ich verwende dieses Wort bewusst) zum Verhängnis. Man gab zu, dass es gar keine unzumutbaren Szenen gäbe, die man herausschneiden könnte – und deswegen verbot man den Film als Ganzes!
Die Herausgeber dieser wunderschönen Box gaben sich sehr viel Mühe, die Willkür der Zensur zu belegen. Ein dickes gebundenes Book (das schon kein Booklet mehr ist) liegt den DVDs bei, in der die Original-Gerichtsdokumente veröffentlicht sind. Es war ein langer Weg, bis dieser Film einer interessierten Öffentlichkeit (nur Erwachsene, denn wir sprechen hier von mündigen Bürgern) legal zugänglich wurde. Und he, man kann entscheiden, dass einem der Film nicht gefällt – aber es wird einem jetzt zumindest erlaubt, sich dieses Urteil selbst zu bilden!
Aber wieder zurück zum Film. Er ist natürlich trotzdem hart, keine Frage. Einem Jungen wird der Schädel mit dem Hammer eingeschlagen (das tat man früher mit Schlachtvieh), und wie er da in den letzten Zuckungen liegt, das ist schon heftig. Oder ein Mädchen hängt am Haken und muss zusehen, wie sein Freund mit der Motorsäge zerlegt wird. Auch sie zuckt ordentlich.
Natürlich ist Letherface nicht allein, der verrückte Anhalter kommt noch mal ins Spiel, und die netten Jungs von der Tankstelle. Außerdem ist da noch Opa, der beste, wenn es um das Spiel mit dem Hammer geht. Die Diner-Szene ist der verrückte Höhepunkt eines verrückten Films, wie er eigentlich nur in Texas hatte gedreht werden können. Von Tobe Hooper, einem Texaner.
Texas Chainsaw Massacre ist ein Low Butget-Film, aber er sieht nicht danach aus. Offensichtlich wurde nicht an der Kamera gespart, und man hat das Casting sehr ernst genommen. Die Schauspieler waren zwar allesamt unbekannt, aber nicht untalentiert. Hinzu kam so manch kreative Kamerafahrt, und ein Hang zum Perfektionismus. Im Bonus-Material erfahren wir, dass manche Szenen anderthalb Tage lang gedreht wurden.
Die Special-Effekte bestanden hauptsächlich aus einer unheimlichen Kulisse. Die Inzest-Familie ist für die vorher erwähnten Grabschändungen verantwortlich und scheint eine spezielle Vorliebe für Sessel mit Armlehne, Lampen aus Menschenhaut und Mobiles aus Knochen zu haben. Dafür hat der Ausstatter alles an Kadavern zusammen gerafft, die nur irgendwie in Reichweite waren. (Die Geschichte um das Gürteltier ist der Hammer!)
Da nicht so viel Blut spritzt, brauchte man keinen Tom Savini für die Tricktechnik, aber ein schmerzverzerrtes Gesicht, zuckende Beine und rollende Augen können verdammt Angst einflößend sein! Der Film ist verdammt heftig, aber das erwähnte ich schon mal.
Da Texas Chainsaw Massacre recht erfolgreich war (zu Recht), gibt es ein paar Sequels, wobei Texas Chainsaw Massacre 2 ebenfalls der Zensur zum Opfer fiel, sogar noch vor Kinostart (Turbine arbeitet gerade daran, auch diesen Film zu rehabilitieren – siehe diesen interessanten Bericht von Schnittberichte). Im dritten Teil darf dann Viggo Mortensen (Aragon) in einer Rüschchenschürze und mit lackierten Fingernägeln seiner kleinen Schwester (Tochter?) zeigen, wie man Touristen tötet ... Die Säge ist Familie!
Ferner gibt es ein tolles Remake mit Jessica Biehl, die es wohl satt hatte, nur die Pfarrerstochter zu spielen. Und ein Prequel zum Remake, das in Deutschland trotz Aufdruck UNRATED arg zerstümmelt wurde. Aber wir leben in einem freien Land, wo offensichtlich jeder nach Lust und Laune zerstückeln darf.
Der Film ist bereits vorher in Deutschland auf DVD erschienen, bei der Firma Laser Paradise. Die DVD ist dann ebenfalls beschlagnahmt worden. Nun muss man sagen, dass bei Laser Paradise auch Fans am Werk sind. Sie haben viele Horrorfilme auf DVD veröffentlicht. Aber technisch ... nun, die meisten Filme wirken wie eine gute (oder akzeptable) Videokopie. Im Grunde ist die Red Edition auch dafür verantwortlich, dass manche Filme einen gewissen Schmuddelstatut innehaben, Aber he, ich liebe sie trotzdem.
Die Vorliegende Box ist allerdings ein anderes Kaliber. Texas Chainsaw Massacre kommt in sehr guter Bild- und Tonqualität daher. Der Film ist auf DVD und BluRay (ich habe leider keinen BluRay-Player, kann also zur Qualität dieser nichts sagen) enthalten. Dazu kommen zwei DVDs mit Bonus-Material. Viele tolle Dokumentationen und Interviews. Und auch hier merkt man wieder, dass die Herausgeber Fans waren. Sie wollten diesem Film endlich die Ehre zukommen lassen, die er verdient hat!
Ich freue mich schon auf Texas Chainsaw Massacre 2, und vielleicht nimmt sich Turbine dann auch Dawn Of The Dead vor. Man wird ja noch mal träumen dürfen. Ich weiß, man wird mutig, aber mit dieser Veröffentlichung ist ein Traum wahr geworden, den zu träumen ich vorher nie gewagt hätte...