Reihe: World of Darkness Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
|
Mit diesem Sonja Blue Roman schlägt Nancy A. Collins ein neues Kapitel im Leben unserer Lieblingsvampirin auf. Das Buch ist ein Crossover mit dem Rollenspiel Welt der Dunkelheit / Vampire: Die Maskerade. Sie bewegt sich nun nicht mehr durch die Welt der Pretender, sondern die der Kainskinder. Unterm Strich gibt sich das nicht viel, wenngleich dieser Roman sich viel mehr auf die Vampire beschränkt und andere übernatürliches Wesenheiten (ich mochte die Oger) ausklammert!
Nun, woher der Begriff Kainskinder stammt, kann man sich denken, erklärt wird er nicht. Der Name Pretender leitet sich davon ab, dass die Wesen der Realen Welt sich durch Lug und Trug vor den nichtwissenden Menschen verbergen. Bis diese ihren Jägern gegenüberstehen, aber dann ist es zu spät.
Aber egal, Sonja hat noch immer ihr silbernes Rasiermesser (mittlerweile durch Magie noch viel tödlicher für Vampire) und schneidet sich durch reichlich untotes Fleisch.
In Deadtown regiert die Verzweiflung. Gescheiterte Existenzen hausen hier, und nachts traut sich niemand vor die Tür, denn dann herrschen die Kreaturen der Nacht über diesen Stadtteil, der offiziell gar nicht existiert.
Mitten drin ist die Straße ohne Namen, in der sich die Oben-Ohne-Bar Danse Macabre und der Billardsalon Stick’s gegenüberliegen. In dem einen lungern die Mitglieder der Five Points Gang (die Pointers), im anderen die Black Spoons herum.
Das sind die menschlichen handlanger zweier Vampire: Esher (ein Typt mit Lederjacke und Pferdeschwanz) und Sinjon (der aussieht wie der Typ auf dem Dollarschein). Letzterer ist der offizielle Prinz der Stadt, ersterer will ihm diesen Platz streitig machen.
Sonja will sie beide stürzen sehen und spielt sie gekonnt gegeneinander aus.
Was wäre über das Buch noch zu sagen? Nun, die Vampire gehören verschiedenen Clans an. Esher ist ein Tremere, ein Blutzauberer, während Sinjion der herrschenden Klasse der Ventrue angehört. Der entstammt jetzt auch Lord Morgan, Sonjas Erschaffer.
Über allem wacht die Camarilla, welche dafür sorge trägt, dass die Existenz der Vampire nicht bekannt wird. Sie sind es auch, die im Falle eines Dschihad (ein offizieller Krieg der Vampirobersten, der durch die rituelle Zustellung eines Straußes Schwarzer Rosen angesagt wird) ziemlich böse werden – weshalb der machthungrige Esher sich nicht traut, einen anzuzetteln.
Okay, ich gebe es zu: Der Rollenspielkram gefällt mir nicht sonderlich. Er zwängt dem Roman zu viele Regeln auf. Glücklicherweise versucht die Autorin oft, darauf nicht Bezug zu nehmen. So werden wir mit Clans verschont, die gegeneinander Intrigen spinnen, wie in einer schlechten Soup.
Nein, da sind lediglich zwei Vampire, die von Sonja aufgehetzt werden, sodass es mal wieder ganz schön blutig wird. Schrotkugeln, Brandgeschosse, Macheten und das gute Rasiermesser kommen ordentlich zum Einsatz. Die Charaktere auf Eshers Seite könnten aus einem Sonja Blue Roman stammen. Mir gefällt besonders Decima:
Zuerst stieg eine schlanke, auffällig gut aussehende Frau in engen schwarzen Lederhosen und Stiefeln mit Stahlspitzen aus. Als sie sich den anderen zuwandte, öffnete sich ihre schwarze Lederjacke und enthüllte nackte Brüste, deren Warzen Edelstahlpiercings hatten. Die rechte Seite ihres Kopfes war bis auf den Schädel rasiert, während links das Haar wie ein Vorhang aus schwarzer Seide bis zur Hüfte hing. Ihre Züge waren schroff und klar, und man hätte sie als klassische Schönheit bezeichnet, hätten nicht in ihrer Nase den Lippen und Augenbrauen eine Vielfalt von Metallringen und –nieten geglitzert.
Diese Vampirin ist Sonjas charismatischste Gegner, und ein echtes Miststück! Genau das ist der Stoff, aus dem Sonja Blue Romane sind ...
... die Rüschchenvampire funktionieren in den Romanen von Anne Rice ganz gut, aber in der Gosse, in der sich Sonja Blue zuhause fühlt, wirken sie nur komisch. Das erklärt das Rollenspiel so: Wenn Vampire in den alten Zeiten schwelgen, statt sich den neuen anzupassen, dann ist ihre Zeit gekommen. Deshalb ist es Esher vorbestimmt, Sinjons Platz einzunehmen, und sich zum neuen Prinzen der Stadt zu erheben.
Alles in Allem ist dies der schwächste Sonja Blue Roman, aber immerhin ist es noch ein ganz guter Vampirroman. Die Beschreibung der Vampirlokale mit den menschlichen Trinkgefäße ist ganz nett. Ebenso, die kleinen Schoßtiere, die sich die Vampiroberen so halten. Viel Sadomaso (nicht soviel wie in den vorherigen Romanen) und ein bisschen Voodoozauber ist auch mit dabei. Beeindruckend finde ich die Pfarre der Verdammten. Die kurze Episode der Vampirpiraten hätte durchaus länger sein (oder gar ein eigener Roman werden) können. Langweilig wird einem nie!
Sonja Blue ist die Mutter aller Vampirschlampen. Die ersten drei Bände erschienen im Goldmann Verlag. Ein vierter bei Feder und Schwert. Der Festa Verlag wollte die Serie ebenfalls ins Programm nehmen, hat aber nur den ersten Band nachgedruckt.
Die restlichen Romane sind leider noch nicht auf deutsch erschienen...
1. Der Todeskuss der Sonja Blue
2. Ein Dutzend schwarzer Rosen
3. Ganz in Schwarz
4. Racheengel