Reihe: Wurdack Crime Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Dieses Buch ist anders als alles, was ich zuvor gelesen habe. Vielleicht weil der Autor aus Australien kommt? Da kenne ich nicht wesentlich mehr als Crokodile Dundee, was man aber wirklich nicht vergleichen kann. Echt nicht.
Ben hat keinen Erfolg bei Frauen, dabei ist es genau das, wonach er sich sehnt. Klar, er ist verunsichert. Er fragt sich, was ihn von all den anderen jungen Männern unterscheidet. Offensichtlich sieht er ganz manierlich aus. Weder zu mager, noch fett. Hat blaue Augen und blondes Haar.
Aber da ist etwas. Er trägt eine Sonnenbrille, damit die Frauen nicht bemerken, wie er sie ansieht.
Die Geschichte ist eigentlich schnell erzählt: Ben sucht die Liebe, findet sie, verliert sie, und dann verliert er sich. In Gewaltfantasien, die durch Snuffvideos (die haben seltsame Videos in Australien) genährt werden, und zum Schluss kommt es zu einer Eskalation der Gewalt.
Auf das ganze Buch verteilt, nehmen die Gewalt-Passagen nicht sehr viel Raum ein, aber sie sind verdammt explizit. Echt krass, so dass man sich fragt: Tut das wirklich Not?
Vielleicht nicht, aber sie zeigen deutlich, wie der Typ tickt. Wie er von frühster Kindheit an diesen Punkt geführt wird, wo er schließlich landet. (Okay, mit Puschelches Schicksal wird angedeutet, dass er vorher schon einen Hau weg hatte).
Am Anfang hat das mit den Mädchen noch geklappt. Sie ließen ihn mal gucken und auch mal anfassen. Doch dann schob man ihn ab ins Jungeninternat, und er vermutet, dass er ins einer Zeit dort den Anschluss verpasst hat. Weswegen er auch immer wieder gerne seine Eltern für sein Versagen verantwortlich macht. Und dann natürlich die Frauen. Immer sind die anderen Schuld, ist ja klar.
Was dieses Buch besonders macht, sind nicht die krassen Stellen, obwohl die dazugehören. Der Autor beschreibt bis ins Detail, was auf den Snuffvideos zu sehen ist. Die Kettensäge, das Auseinanderreißen von Menschen, die Kopulation und Schlachtung eines Rehs. Er tut dies nicht voller Begeisterung, sondern emotionslos. Aber er nutzt die Platzierung der Videos um die jeweils unterschiedlichen Reaktionen des Erzählers im Laufe der Geschichte hervorzuheben. Der Typ verändert sich, und das geht irgendwann so weit, dass er das Gesehene mit einem kleinen Kätzchen nachspielt. Eine widerliche Szene, die über mehrere Seiten geht – und die zeigt, dass die Todesliste eines Amokläufers nicht das beunruhigenste ist, das einen hier erwartet.
Ich weiß nicht, was den Autor bewogen hat, so etwas zu schreiben. Oder den Original-Verleger, sie im Buch drin zu lassen, aber ich finde es konsequent (und mutig) von Enst Wurdack, dass sie in der deutschen Fassung enthalten ist. Ich halte nichts davon, ein Buch zu zensieren, und ich hätte es auch schade gefunden, dieses Buch nicht lesen zu dürfen. Es zeigt auf eindrucksvolle Weise, was einen Amokläufer zu seinen Taten treibt. Das Buch ist kein Krimi, es ist das schonungslose Psychogramm eines Amokläufers.
Was mich dabei vor allen Dingen begeistert hat, ist die Sprache. Wenn Ben sich in eine Frau verguckt, dann schwebt er praktisch auf Wolke sieben. Seine Beschreibung der jweiligen Mädchen ist lyrisch, und überzeugend.
Das trifft auch auf die Stimmungstiefs zu, die ihn immer wieder übermannen. Hier ist die Sprache eine ganz andere. Aber ebenso stimmig.
Ihr fragt Euch jetzt sicherlich, wie man ein solches Buch gut finden kann. Nun, in der Literatur geht es immer um Gefühle. In der Horrorliteratur (ja, ich würde das Buch eindeutig dem Horrorgenre zuordnen) geht es um extreme Gefühle. Liebe und Hass liegen sehr nahe beieinander. Angst und Wut ebenfalls. Gerlach versteht es, diese Gefühle glaubhaft und stimmig zu beschreiben. Deshalb ist Rage ein gutes Buch. Aber auch ein seltsames Buch, und ich war mir am Ende gar nicht sicher, ob ich mir wünschen soll, dass alles gut ausgeht. Oder aber nicht. Und auch wenn ich Euch das Ende jetzt nicht verrate: Es ist das richtige Ende geworden. Davon bin ich überzeugt!