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Titel: Die Arena Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Die Arene ist ein wahnsinnig gutes Buch – mit ein paar ganz wenigen Abstrichen. Es ist über 1200 Seiten dick, und deswegen wird es jetzt nicht einfach, eine Inhaltsangabe zusammenzufassen.
Die Geschcihte beginnt damit, dass sich eine Kuppel über Chester Mills senkt. Dabei folgt sie genau den Gemeindegrenzen.
Chster Mills liegt in Neuengland, in direkter Nachbarschaft zu Castle Rock, das wir aus verschiedenen Stephen King Stories kennen, und Taker Mills, in der sich mal ein Kingscher Werwolf umtrieb.
Es ist eine typische Kleinstadt, in der sich die Kriminalität in Grenzen hält, unter deren Oberfläche jedoch so einiges Brodelt. Und genau das ist ja das Steckenpferd des Autors. Die normalen Menschen der Arbeiter- und Mittelschicht, und ihre Wünsche, Träume und Intrigen. Und genau das macht dieses Buch so genial – seine Menschen. Und natürlich, dass sie sich Verändern, unter dem Druck der Kuppel!
Eine solche Kuppel hat bereits Joe R. Lansdale in seinem Roman Drive-In beschrieben. Okay, eine andere Art von Kuppel – aber es ging auch um die Veränderungen, welche die Menschen unter der Kuppel durchmachen, wenn sie plötzlich kein Essen mehr haben, und keine Ordnungshüter da sind, um für Recht und Ordnung zu sorgen.
Bei Stephen King gibt es die Polizei noch. Sie bildet einen nicht unerheblichen Machtfaktor. Wobei die Machtergreifung eines der Hauptelemente der Geschichte ist. Da gibt es nämlich einen Gebrauchtwagenhändler namens Big Jim. Der ist zweiter Stadtverordneter, weil er im Schatten des Ersten Vorsitzenden, der eigentlich nur ein Strohmann ist, besser regieren kann.
Big Jim ist machtbesessen, und er nutz die Situation gnadenlos für sich aus. Ernennt fleißig neue Polizisten, die ohne Skrupel jeden seiner Befehle ausführen, auch wenn es mit Gewalt ist.
Dass jede Diktatur (Big Jim wird mehrfach mit Hitler, seine Polizisten mit der Hitlerjugend verglichen) einen Widerstand hervorbringt, ist klar. Der Widerstand in The Mill sammelt sich um einen Ex-Soldaten, der jedoch mittlerweile der Koch eines Diners ist. Er wird unterstützt von einer Journalistin und der Witwe des ehemaligen Polizeichefs.
Es ist die Entwicklung dieser Menschen, die das Buch ausmacht. Die Kuppel schwebt zwar drohend über allem, aber ihr Geheimnis ist ein nebensächliches. Das ist der einzige Knackpunkt eines ansonsten genialen Romans. Ich kenne das, dass Figuren im Laufe einer Geschichte ein Eigenleben entwickeln. Sie tun dann nicht mehr das, was der Autor für die geplant hat.
So wird Barbie (der Koch heißt mit Nachnamen Barbara) als Soldat reaktiviert und sol nun den Generator aufspüren, welche das Kraftfeld erzeugt, das die Kuppel bildet. Dass er vorher im Irak Giftgasfabriken aufspüren musste, qualifiziert ihn geradezu für diese Aufgabe.
Doch statt dass er nun jeden Winkel der Stadt untersucht, um das verflixte Ding zu finden ... nun, er hat wichtiger Dinge zu tun. Als ob da irgendetwas wichtiger wäre!
Die Kuppel besteht aus einem Kraftfeld, das mit irdischer Technologie nicht zu erklären ist. Als sie ins Spiel kommt, wird ein freches Waldmurmeltier in zwei Teile zerlegt (eine mitreißende Szene. Ich glaube, ich mag Waldmurmeltiere). Ein Flugzeug, ein Holztransporter und mehrere andere Flug- und Fahrzeuge zerschellen daran. Das Ding ist schließlich unsichtbar. Zumindest am Anfang, denn sie verschmutzt. Rückstände von Explosionen oder auch nur Pollen setzten sich daran ab. Sowohl die Sonne, als auch die Sterne sehen von innerhalb der Kuppel sehr bald anders aus.
Auch sonst kommt kaum was durch. Flüsse stauen sich, ind er Kuppel wird es beinahe Windstill. Das bedeutet für die Eingeschlossenen langfristig gesehen nichts Gutes.
Aber die Kuppel (die nur sehr bedingt als Arena anzusehen ist – es gibt jedenfalls keine ausgelobten Kämpfe wie im alten Rom) ist nur die Aufgabe, an der die Helden wachsen.
Da dies ein umfangreicher Roman ist, gibt es jede Menge Platz für ganz viele Helden. Und für Schicksale. Mir gefällt besonders die Szene, in der sich der Polizeichef vons einer zukünftigen Witwe verabschiedet:
Trotzdem nahm er sich die Zeit, einen Arm um Brenda zu legen. Sie vergaß das nie, dass er sich die Zeit dazu genommen hatte.
(...)
Er lehnte sich aus dem Fenster, und sie merkte, dass er einen Kuss wollte. Sie gab ihm einen guten...
Das ist die Poesie, die sich im Alltag versteckt, und Stephen King findet sie. Dieses alte Ehepaar, das sich oftmals übereinander ärgert, dass sich auch mit Absicht gegenseitig um den Verstand bringt – das sich aber aus tiefstem Herzen liebt. Ein Autor, der die Menschen gut genug kennt, um solche intimen Momente glaubwürdig zu beschreiben, der ist ein wahrer Meister! Es ist nicht der Horror, der Stephen King über die meisten anderen Schriftsteller erhebt (der Horror-Anteil in Drive-In ist erheblich köher!), sondern sein Gespühr für die Menschen.
Auch wenn der Roman mit 1200 Seiten ein harter Brocken für den leser ist (allein schon vom Gewicht des Hardcovers her), so liest er sich weg, wie Butter. Die Schicksale der Menschen reißen einen einfach mit!
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Der Roman verknüpft die Geschichten von annähernd tausend Menschen auf eine sehr eindruckvolle Weise. Das Schicksal schweist sie zusammen – und während auf der einen Seite nur die Machtergreifung im Vordergrund steht, geht es auf der anderen Seite um Solidarität. Und für alle geht es nur um das Überleben!
Ein weiteres Meisterwerk vom King!