Titel: Hunger Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Wenn in den großen Verlagen kein Platz mehr ist, kommen die Toten in Kleinverlagen zum Zuge. Ein Glück für die Liebhaber gut abgehangenen Fleisches ist diese Zombie-Anthologie aus dem Blitzverlag.
Story-Titel: Fleischspenden |
Dass einem die Familie nicht nur lieb, sondern auch teuer sein kann, wird einem in dieser Geschichte vermittelt. Klar, so ein Zombie, der hat Hunger. Und wenn man als Angehöriger seine Lieben auch weiterhin verwöhnen will, dann geht das ins Geld ... wenn man sich seine Liebe jedoch nicht mehr leisten kann, und man trotzdem nicht will, dass die Angehörigen in staatliche Lager verbracht werden, dann blüht die Beschaffungskriminalität.
Eine hübsche Idee für ein Leben mit Zombies, und die Probleme, die sich daraus ergeben.
Story-Titel: Der letzte Rockstar |
Wie jeder Rockstar hatte Hector unter der zehrenden Unersättlichkeit seiner Fans zu leiden.
Diese kleine Geschichte erzählt von Hector und seinen nach ihm hungrigen Fans. Von seinem letzten Konzert, und wie er vor einer tobenden Menge von Zombies in ein Mikrofon atmet, und so die Menge zum Kochen bringt ... dies ist meine zweitliebste Geschichte aus dem buch. Sie besticht durch eine brillante Idee und einen unvergleichlichen Wortwitz, der die Doppeldeutigkeit des Hungers der Zombies nach Fleisch mit dem Hunger der Fans nach ihrem Idol gleichsetzt. Grandios. Ebenso die Pointe, in der Hector in seinen Fans aufgeht,
Story-Titel: JIHAD |
Wenn die Muslime zum JIHAD aufrufen, dann hat dies nichts mit der gleichnamigen Droge zu tun, die in dieser Geschichte auf den Plantagen Haitis angebaut wird. Auch nichts mit der Sensationsgeschichte des Reporters, der den Skandal aufdeckt, dass ein macht- und geldgieriger Plantagenbesitzer Tote für sich auf den Feldern schuften lässt ...
Diese Geschichte hat mir jetzt nicht so gut gefallen.
Story-Titel: Gourmet |
Dass Zombies auf Menschenfleisch stehen, ist allgemein bekannt. Doch dieser SMS-versendende Tote hat schon zu Lebzeiten diesen außergewöhnlichen Geschmack für sich entdeckt. Ausgerechnet bei einem Unfallopfer, an dem schon ein Schakal genagt hatte ... nun, am Schluss wartet ein schrecklicher Fluch auf ihn und eine unheilige Verwandlung. Doch auf dem Weg dorthin teilt er der Welt sein Schicksal in 160-Zeichen-Happen mit.
Die Form dieser fiktiven SMS ist etwas gewöhnungsbedürftig. Immer wieder brechen Sätze mittendrin ab, um dann in einer neuen Nachricht Groß weitergetippt zu werden. Sehr innovativ, und als einmaliges Experiment ziemlich spaßig.
Story-Titel: Apokalypse Marseille |
In einer Postapokalyptischen Welt herrscht immer mehr denn je das Recht des Stärkeren. Jobs sind rar, und so verdingt sich Guyenne als Geldeintreiber, obwohl er eigentlich ein zu weiches Herz dafür hat.
Er mogelt sich so durch, zahlt auch mal eine Rate für den Schuldner – aber dann erhält er ein Signal, auf das er schon lange wartet. Seine infizierte Freundin ist an einem Kontrollpunkt aufgetaucht. Guyenne desertiert und muss sich nun durch Massen von Toten hindurchkämpfen, auf dem Weg zu seiner großen Liebe. Außerdem hat sein ehemaliger Boss einen Killer auf ihn angesetzt...
Ziemlich viel Story für eine Kurzgeschichte, Da außerdem keine nennenswerte Pointe am Ende wartet, hätte man vielleicht doch besser einen Roman aus dem Ganzen gemacht.
Story-Titel: Die schreckliche Insel der hungrigen Zombies |
Hier erinnert sich jemand an seine Kindheit, und an Kinoplakaten mit reißerischen Titeln, die die Fantasie von Junges anregten, die noch zu jung waren, um sich diese Horrorfilme anschauen zu können. Nur für eine Geschichte hat es nicht gereicht.
Story-Titel: Die Tankstelle der lebenden Toten |
Von der normalen Gesellschaft würden die Protagonisten dieser Geschichte sicherlich scheel angesehen werden. Sie entsprechen dem Klischee der Verlorenen, welche in der Tankstelle trinkend vor die Hunde gehen. Schaut man jedoch genauer hin, so sind diese vermeintlichen Penner nette Kerle, die in mancherlei Hinsicht nicht gesellschaftskonform denken. Im positiven Sinne.
Doch dann kommend ie Zombies, und sie können zeigen, was in ihren steckt.
Ich kenne und schätz Markus K. Korb vor allen Dingen als Autor unheimlicher Geistergeschichten. Dass er so gut Splatter, schwarzen Humor und jeder Menge Ballerei verfassen kann, war mir neu. Hat trotzdem hervorragend funktioniert. Die Geschichte haut rein, wie ein gottverdammter Zombiefilm es tun sollte!
Story-Titel: Bis der Tod uns scheidet |
Die Stadt wurde durch einen starken Elektrozaun abgesichert. Das funktioniert so gut, dass Wilfried und Rudi in aller Ruhe ihr Feierabendbier trinken können.
Trotzdem gelingt es dem Z-Virus ab und an, diese Grenze zu überspringen. Natürlich haben die beiden von Oppermann gehört, der sich um seine eigene Frau kümmern musste, weil ... nun, Oppermann ist ihr Freund, und so beschließen die beiden, ihm Trost zu spenden – nur, dass sich Oppermann nicht so um seine Frau gekümmert hat, wie er das hätte tun sollen...
Es sind diese Einzelschicksale, die das Zombiethema immer wieder interessant machen!
Story-Titel: All Killers, No Fillers |
Ich kenne Torsten Sträter. Den Eldur-Verlag mag es nicht mehr geben, aber Jacks Gutenachtgeschichten 1-3 haben in meinem Regal einen Ehrenplatz. Auch seine Nicht-Horror-Sammlung Brain Spam steht dort. Dann wurde es laut um den originellen Autor. Statt sie in Büchern zu verstecken präsentierte er seine Geschichten auf Deutschlands Lesebühnen.
Die vorliegende Geschichte verbindet nun seine Leidenschaft für Horror mit seinen Insidererlebnissen des Poetry Slam.
Ein unbekannter Konkurrent macht sich einen Namen, indem er schreckliche Dinge über seinen Vater erzählt, und über ein böses Buch, das dessen Charakter verdirbt. Er betont, dass es sich bei dem Gesagten um die Wahrheit handelt – und Torsten will nun herausbekommen, was dahinter steckt. Tod und Verderben, und ein eBook mit dem Titel ...
(Wenn ich den jetzt verrate, ist die schöne Pointe weg. Aber man kann diese Geschichte getrost dem Cthulhu-Mythos zuordnen.)
Story-Titel: Die hungrigen Lebenden |
Ein Mann wird gefangen gehalten, um ein grässliches Experiment an ihm durchzuführen. Er soll das Fleisch der Toten essen ...
Der Plot ist nicht neu, und ganz passabel umgesetzt. Die Pointe haut noch mal einiges raus.
Story-Titel: Zombie |
Die Geschichte handelt von einem mann, der hin- und hergerissen ist, zwischen seiner Frau und seiner Mutter.
Nette Geschichte, nette Pointe.
Story-Titel: Das Himmelreich der Autisten |
Und nun zum absoluten Highlight des Buches!
Ein Autist lebt in seiner Welt, doch mit einem mal wird diese erschüttert. Nichts ist mehr so, wie er es gewohnt ist. Die Schwester kommt nicht rechtzeitig, und er kommt somit nicht pünktlich zum Frühstück ...und er versteht einfach nicht, was da um ihn herum vorgeht.
Die Geschichte ist aus der Perspektive des autistischen jungen geschrieben. Es ist absolut faszinierend, die Welt durch seine Augen zu sehen, und die Katastrophe aus einem völlig neuen Blickwinkel zu betrachten. Diese Geschichte allein ist es wert, dass man sich das Buch kauft!!!
Story-Titel: Für die Statistik |
Die Wirtschaft entdeckt wiederbelebte Tote als billige Arbeitskräfte. Die Politik ermöglicht es, diese Entdeckung auch gewinnbringend zu nutzen.
Ein schöner Ansatz für einen sozialkritischen Roman, aber für eine Kurzgeschichte etwas dünn.
Story-Titel: Die Spur des Geiers |
Ein Privatdetektiv deckt einen besonderen Mordfall auf – denn das Mordopfer ist in diesem Fall er selbst.
Da ich diese Art von Krimis noch nie mochte, bin ich vielleicht ein wenig voreingenommen, was diese Geschichte betrifft. Ich enthalte mich also einer Wertung.
Story-Titel: Zwei Wochen - Ewigkeit |
Ein Schriftsteller sucht die Abgeschiedenheit, um eine Schreibblockade zu überwinden. Er lässt sich auf einem Leuchtturm anheuern. Da er für den Job nicht wirklich qualifiziert ist, gibt es jede Menge Probleme. Insbesondere, als vermehr Notrufe über Funk reinkommen...
Statt eines romantischen Liebesthrillers kann dieser Autor nun in aller Ruhe einen Horrorroman schreiben.
Story-Titel: Gestohlene Erinnerungen |
Die zombieverseuchte Zukunft Bietet nicht mehr viele Zerstreuungsmöglichkeiten, sodass sich Marun ab und zu ein kleines Filmchen gönnt. Dann trifft er auf Galina, die er schon einmal beim Sex bewundert hat. Sie versichert ihm, dass sie niemals als Schauspielerin oder Darstellerin in einem Film mitgemacht hat. Das, was da im Umlauf ist, wurde heimlich gefilmt. Aber stimmt das auch? Der Titel der Geschichte deutet ja schon an, dass da etwas ganz anderes dahinter steckt...
Nina verknüpft hier auf ganz raffinierte Weise den schnöden Zombiehorror mit Science Fiction. Schön.
Story-Titel: Der gebraute Tag |
Der Ich-Erzähler der Geschichte macht sowohl den Zombies, als auch den Nazis klar, dass sie ins einem Viertel nichts zu suchen haben. Finanzkrise hin oder her, er steht nicht so auf Ragnarök oder Apokalypse ist...
Das besondere dieser Geschichte ist natürlich der Protagonist. Die Zeiten der blonden Geisterjäger sind vorbei.
Story-Titel: Unversicherbar |
Eine pfiffige Geschichte um einen raffinierten Versicherungsbetrug – aber keine wirkliche Zombiegeschichte. Trotzdem schön zu lesen.
Story-Titel: Artgerechte Haltung |
Einer der letzten Überlebenden erzählt uns seien Geschichte. Dass sie ihn dazu einsetzen, Frauen zu schwängern. Nachdem die erste Euphorie verflogen ist, merken die Toten, dass Menschenfleisch knapp wird. Doch ohne die Mithilfe der Lebenden können sie keine auf ihren Bedürfnissen ausgerichtete Fleischindustrie aufbauen...
Es hat schon immer Kollaborateure gegeben, vielleicht ist die Idee hinter der Geschichte so erschreckend.
Story-Titel: Unverhofftes Ende |
Miré ist neu in der Zombiebeseitigungscrew. Sie ist auch ein wenig voreilig, weswegen sie auch schon mal allein auf die Jagd geht. Doch diesmal hat sie den falschen Zombie killt. Das Staatliche Institut für Seuchenkontrolle und die Fetzer-Filmstudios haben einen gewinnbringenden Vertrag geschlossen. Besagter Zombie war ein Ausnahmezombie, und somit tabu. Er hat vor laufenden Kameras Freiwillige zerstückelt und war in Fankreisen ein richtiger Star. Den so entstandenen Schaden will die Filmfirma natürlich ersetzt haben...
Eine aberwitzige Zombiestory im Manga-Style. Gnadenlos schön.
Story-Titel: Der Hunger nach der Schlacht |
Nach der Schlacht beobachtet Martin, wie schwarz gewandete Reiter die Toten mit ihren Lanzen in den Kopf stechen, wobei sie keinen unterschied zwischen Gegnern und gefallenen Kameraden machen.
Martin flüchtet in ein Bauernhaus, wo er in die Fänge einer seltsamen Maid und ihrer noch seltsameren Mutter gerät.
Eine historische Geschichte, die sich des Themas annimmt, und auch noch ein wenig Platz lässt für Hexenglauben und Teufelswerk. Ein würdiger Abschluss dieses Buches.
All Killers – No Fillers. So lautet nicht nur der Titel der Geschichte von Torsten Sträter – so lautete ein Werbeslogan aus den 50ern. Die Rock’n’Roll-Stars nahmen in der Regel nur Singles auf, LPs waren eine Seltenheit. Wenn dann aber doch einmal das Risiko eingegangen wurde, eine LP zu pressen (viele Plattenspieler konnten die gar nicht abspielen), so hatte dieser Longplay meist ein paar Hits, und ansonsten einiges an Füllmaterial, um das Ding voll zu kriegen.
Jerry Lee Lewis versprach seinen Fans, dass es bei ihm keine Lückenfüller gäbe, seine LPs enthielten nur Killer.
Nun ist es schwierig, gleichzeitig ein abwechslungsreiches Buch herauszugeben und eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten. Sicher, unter den Autoren ist kein absoluter Neuling dabei, und so sind die Geschichten handwerklich gut, und auch spannend geschrieben. Dennoch muss man sagen, dass sie auf sehr unterschiedliche Weise an das Thema Zombie herangegangen sind. Da sind die Geschmäcker einfach zu verschieden, als dass man wirklich alle Stories für Killer halten könnte.
Aber das Verhältnis der guten und sehr guten Geschichten ist erfreulich hoch, die Aufmachung ist sehr liebevoll mit vielen Illustrationen und einem tollen Titelbild. Ich kann das Buch jedem Zombiefan wärmstens empfehlen – und den Freunden der deutschen Phantastik auch.