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Titel: Drachen! Drachen! Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Fiese Essenzen aus dreiundzwanzig Genres.Da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Weil aber die Geschmäcker verschieden sind, erzähle ich Euch nun, wie geschmackvoll ich dieses Buch finde.
Erstmal: Es geht um Drachen. Die haben sich immer wieder in den Büchern getummelt, die ich lese. Als erstes in den Märchenbüchern. Dann in den germanischen und nordischen Heldensagen. Sogar John Sinclair verschlug es in diverse Drachenhöhlen. Ach ja, und einen Glücksdrachen gab es in der Unendlichen Geschichte. Und einen Drachenlord in der Straße der Götter von Rolf Michael.
Wie Ihr also seht, gibt es sehr viele, sehr unterschiedliche Drachen. So auch in diesem Buch. Da gibt es große Drachen und kleine Drachen und mechanische Drachen auch.
Das Buch enthält eine Menge Drachengeschichten (zu viele, um sie hier alle zu würdigen). Etliche davon sind gut, einige sehr gut, und vier sogar saugut!
Andrea Tillmanns: Der mechanische Drachen (Kunstmärchen)
Ein Spielzeugmacher hat sich auf mechanische Spielzeuge spezialisiert. Doch die Zeiten ändern sich. Das, was anfangs große Bewunderung und Staunen hervorbringt, langweilt die Kunden später. Sie sind auf Spielzeuge aus, mit denen man andere zerstören kann. Das bricht dem Spielzeugmacher das Herz – und ins einem Nachlass befindet sich ein besonderes Spielzeug: Der mechanische Drachen
Diese Geschichte würde ich nicht als fies bezeichnen. Eher als traurig. Aber auch wunderschön.
Malte S. Sembten: Drachenfutter (Fantasy)
Eine junge Kriegerin trägt das Zeichen der Mondgöttin. Weil deren Priesterinnen Jungfrauen sein müssen, halten die Dorfbewohner sie für das perfekte Drachenfutter.
Allerdings ist die Tätowierung mit Henna vorgetäuscht, und die junge Frau verfolgt einen fiesen Plan...
Malte ist gewöhnlich in der Phantastik unterwegs. Aber bei der Übersetzung des ersten Clark Ashton Smith Buches aus dem Festa-Verlag hat er sich zur Fantasy verführen lassen. Seine Geschichte ist großartig! Und ich hoffe sehr, dass er seine Heldin weitere Abenteuer bestehen lässt – mit oder ohne Drachen.
Rebecca Hohlbein Gre.En (Urban Fantasy)
Seine Wettleidenschaft bringt einen Kanalarbeiter in seiner Freizeit zurück an seinen Arbeitsplatz. Er wird begleitet von einer jungen Prostituierten, die sich dazu überreden ließ, es ihm dort unten zu besorgen. Das klappt auch ganz gut und wird mittels eines Beweisfotos (Fotos kosten extra) festgehalten – aber bei den Jungs von Gre.En ist etwas passiert, und nun erschüttern Erdbeben die unterirdische Welt.
Eine skurrile Ausgangssituation, interessante Charaktere (Susi-Chantal ist einfach hinreißend) und eine tolle Pointe. Klasse Geschichte!
Petra Hartmann: Heldenlied (Märchen)
Der alte König ist ein erfolgreicher Drachentöter, und natürlich wünscht er sich, dass seine drei Sohne in seine Fußstapfen treten.
Der erste Sohn ist wahnsinnig stark, der zweite wahnsinnig klug und der dritte wahnsinnig wehleidig. Jetzt ratet mal, wer die meisten Drachen erledigt...
Einfach nur Super!
Diese vier Geschichten halte ich für die absolut besten des Buches. Aber es gibt noch mehr gute Geschichten, zum Beispiel:
Carsten Steenbergen: Im Auftrag der Krone (Steampunk)
Die meisten Steampunk-Geschichten spielen in London, diese hier in Stockholm. Die Stadträtin Regina Hreidmardottir hat ein Problem, das ihr Meister Sigmundson (ein Dampfmechaniker von herausragendem Ruf) vom Halse schaffen soll: Einen mechanischen Drachen. Eine Herausforderung, die eines Sigurd Sigmundson würdig ist...
Okay, die Story hat man so ähnlich schon mal gelesen (grins), aber der Autor hat das Steampunkfeeling hervorragend umgesetzt. Dabei hat er sehr viel Wert auf die kleinen Details gelegt.
Zugleich hat er aber auch den nordischen Usprung der Geschichte hervorgehoben. Dass Sigurd Sigmundson Sigmunds Sohn ist, kann wahrscheinlich jeder nachvollziehen. Aber, dass Regina Hreidmardottir die Tochter des Hreidmars ist, und dass sie einen Dutt tragt etc. das ist schön zu lesen. Alles in allem eher eine spaßige Geschichte!
Linda Budinger: Mitternachts Kompass (Asia-Fantasy)
Eine Frau namens Mitternacht hielt Einkehr im Dorf am See, im Gefolge den Wasserbüffel Lo Pan mit den Werkzeugen ihres Gewerbes, darauf ein tropfnasses Mädchen von vielleicht zwölf Jahren. Der jettfarbene Zopf der Geomantin wand sich um Hals und Schultern wie ein Drachenschwanz. Ihre Augen glänzten wie schwarze Perlen und sie trug ein dunkles Gewand mit einem roten Gürtel, an dem das Bronzesiegel des Kaisers schimmerte.
Die asiatischen Drachen unterscheiden sich sehr von den unseren, und ihre Geschichten tun dies auch. Deswegen möchte ich hier nicht zu viel vom Inhalt verraten, sondern Euch mit diesem Textzitat einstimmen. Klasse Geschichte!
Karsten Kruschel: Vom Ursprung der Regendrachen (Robinsonade)
Nach einen Raumschiffabsturz versuchen eine Handvoll Menschen auf einem fremden Planeten zu überleben.
Dabei kümmert sich Gerda um die elternlosen Kinder, indem sie sie Abend für Abend einsammelt, und ihnen durch das Erzählen von Geschichten die Angst vor der Nacht zu nehmen. Eine der Geschichten handelt von den Regendrachen...
Eine stimmungsvolle Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat. Ich hätte sie ja einfach als Science Fiction bezeichnet, aber der Aufhänger des Buches ist ja die Aufteilung in die 23 Genres, und auch wenn das ab und an ein bisschen weit hergeholt (oder konstruiert) erscheint, es ist mal etwas Neues. Klar, man könnte darüber streiten, ob es das Genre Robinsonade (oder Entwicklungsgeschichte) gibt, man kann es aber auch sein lassen.
Punkt ist es, das dieses Buch mit sehr unterschiedlichen Geschichten rund um Drachen punktet. Wie ich anfangs schon erwähnte: Da ist für jeden etwas dabei.
Deswege würde ich das Buch nicht als fies bezeichnen (davon habe ich doch eine ganz andere Vorstellung!), sondern als Abwechslungsreich und fantasievoll – und mehr kann man von einem Buch nicht erwarten, oder? Na gut, spannend sind die Geschichten auch...