Titel: Die ein böses Ende finden Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus
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Eigentlich kenne ich Malte S. Sembten schon lange. Ich habe ihn auf dem Marburg Con getroffen (was Fotos beweisen), und ich habe einige seiner Geschichten in Fanzines gelesen (Das beweist ein Karton von Fanzines, die einige Umzüge überlebt haben, und die ich bei Erscheinen alle gelesen hatte) . Aber wie das manchmal so ist, man verliert sich aus den Augen. Dann erschien die Storysammlung Dhormengruul, und ich bekam Lust, mich ausführlich mit Maltes Geschichten zu befassen.
Dieses Buch hier heißt Die ein böses Ende finden. Ein genialer Titel, der einen richtig einstimmt auf die Geschichten. Bad Endings fand ich schon immer spannender als Happy Endings. Es enthält wieder eine Reihe von Geschichten die hier und dort schon einmal veröffentlicht wurden. Teilweise in Fanzines, und in einem Fall sogar in einem Fanzine, das ich in meiner Kiste fand.
Eine ausführliche Übersicht über Maltes Kurzgeschichten und Bücher bietet seine Autorenwebseite, die ich auch ausführlich für die Biografie hier auf Fictionfantasy zu Rate gezogen habe!
Der Tag des Anthrax
Schaurige Geschichten gedeihen auf dem fruchtbaren Boden der Eifel. Jörg Kleudgen kommt von dort, Uwe Vöhl hat dort zumindest ein literarisches Zuhause gefunden. Und auch Malte S. Sembten entschloss sich, über die Eifel zu schreibe. Er gönnte sich ein Eifelwochenende, um für diese Story zu recherchieren – und stieß dabei auf das Nerother Mausefallenmuseum. Ich meine, allein die Idee, dem Töten von Nagern ein Museum zu widmen, finde ich klasse. Die davon inspirierte Geschichte ist ebenfalls klasse. Über den Inhalt will ich nicht zu viel verraten aber es gibt verdammt einfallsreiche Fallen!
Der Jumbee
Was in Haiti Voodoo und Zombies, sind im Süden der USA Hoodoo und Jumbees. Das findet jedenfalls ein Groschenheftschreiber heraus, als er wegen Geldmangels auf einem heruntergekommenen Schiff den Mississippi bereist. Man erzählt ihm die Geschichte eines Plantagenaufsehers, der ungerecht zu den Feldarbeitern war und deshalb zur Strafe in einen Jumbee verwandelt wurde.
Natürlich ist dem erfahrenen Leser klar, dass es nicht beim Hörensagen bleibt, der Schreiberling wird mit dem echten Grauen konfrontiert, denn Jumbees sterben nicht...
Für mich persönlich war dies die einzige schwächere Geschichten des Buches. Natürlich bietet der Hoodookult in Verbindung mit Negersklaven auf den Südstaatenplantagen einen interessanten Background, aber der gruseligste Teil, wie der Weiße Offizier als Jumbee in einem Niggerregiment mitgeschleift und misshandelt wird, der kam mit zu kurz. Eine Erzählung in der Erzählung, erschreckend, aber eben nur kurz angerissen.
Die Bakschisch-Zone
Ein Taxifahrer lässt sein Gefährt von einem Kumpel tunen. Dummerweise stirbt der Tüftler anschließend, und beinahe hätte der Fahrer sein Gefährt nicht mehr wiederbekommen – aber er ist dann doch schneller als die Streetgang, die es auf seinen getunten Ofen abgesehen hat.
Schneller, das ist das Stichwort, denn der Tüftler hat einen Abrakadabra-Schalter eingebaut. Wenn der umgelegt wird, rast das Taxi so schnell zum Zielort, dass der Fahrer von dem Erlös des Taxameterstandes nicht leben könnte. Aber das Trinkgeld steigt ins unermessliche.
Doch die Sache hat einen haken. Die Rekordzeit wird nur erreicht, weil der Bordcomputer eine Abkürzung nimmt, durch ein Gebiet, das der Fahrer die Bakschisch-Zone nennt. Beschrieben wird es als eine Art Ghetto, in der Unmengen von Pennern mit Glühenden Augen nach dem hindurchjagendem Gefährt greifen – und der Bordcomputer warnt ausdrücklich davor, dort auszusteigen...
Die Technik der Zukunft, abgefahrene Charaktere, Verfolgungsjagden und fiese Berufsgangster mit Knarren. Diese Geschichte bietet alles, was Science Fiction auch für Horrorfans interessant macht!
Der Spiegeleimann
Er verspürte das zwingende Bedürfnis, zu lachen. Jemanden auszulachen. Alle hatten sich über sein Mißgeschick beölt, ihn verspottet – nun wollte er spotten, wollte er es sein, der sich über fremdes Unglück freute.
Deshalb zieht es diesen jungen Mann in eine Freakshow. Aber, der dort präsentierte Spiegeleimann ist so schrecklich anzusehen, dass keiner lacht, außer ihm. Aber dann geschieht etwas, das ihm das Lachen im Hals stecken bleiben lässt...
Eine kleine, gemeine Geschichte, die als Sinclair Leserstory der Woche gedacht war, und in der Ur-Form auch dort abgedruckt wurde. Schade, dass es die nicht mehr gibt. Einige deutsche Autoren haben dort ihre ersten Geschichten veröffentlicht.
Der Kirchenstumpf von Udenhausen
Ein vertrauliches Gespräch unter Verbindungsbrüdern. Ein Tagebuch. Zusammen erklären sie, warum ein Universitätsprozessor den Verstand verlor.
Alles begann damit, dass er den Kirchenstumpf von Udenhausen erforschte, und dass er in den Wurzel eines Umgestürzten Baues eine Schatulle fand. Dass er sie öffnete...
Eine klassische Horrorgeschichte, die mich etwas an H. P. Lovecraft erinnerte, auch wenn keiner der Großen Alten auch nur in einem Nebensatz erwähnt wird.
Pizza-Party bei den DINKs
Die Wirtschaftsstudenten werden von der Zielgruppe der DINKS gehört haben. Double Income, No Kids (Doppeltes Einkommen, keine Kinder). Für diese Bande an gewaltbereiten Kleinkriminellen das gefundene Fressen. Mit einer angeblichen Pizzalieferung verschaffen sie sich Zugang zu der Wohnung, und dann toben sich diese Psychopathen so richtig aus...
Harter Tobak! Dass Malte auch Splatter geschrieben hat, war mir neu. Trotzdem, sehr gut gemacht!
Ich habe übrigens auch die Erstveröffentlichung der Geschichte gelesen. Besonders in den schlagfertigen Dialogen gefällt mir die überarbeitete Fassung besser – ein paar der Splatterpassagen waren in der ursprünglichen Fassung schöner. Mir fehlen aber auch die Bücher, auf die sich der liebe Dr. Dr. in der früheren Fassung bezieht.
Ach, es ist schon schön, beide Fassungen zu lesen!
Morbus Azathoth
Hier bezieht sich der Autor auf eine Geschichte von Marco Frenschkowski, die ich leider nicht gelesen habe. Er bezieht sich aber auch auf eine Geschichte von H. P. Lovecraft, die ich sehr wohl gelesen habe. Aber ich glaube, man kann sie auch verstehen, wenn man ganz unbedarft an den Text herangeht.
Ein Hals-, Nasen- Ohrenarzt wird beschuldigt, seinem Patienten flüssiges Blei in die Ohren gegossen zu haben. Er erzählt, wie es dazu kommen konnte. Dass eben jener Patient ein Experte der Phantastischen Literatur sei, der das Originalmanuskript des Erich Zann gefunden, und in einem Privatdruck neu veröffentlicht hatte. In diesem Text wird übrigens beschrieben, dass der Dämonensultan Azathoth von blinden, hirnzerfessenden Flötenspielern eingelullt wird, damit er nicht das Universum zerstört.
Nun, während der Arzt und sein belesener Freund eine Sammlung katalogisieren, löst das vibrieren eines Weinglases eine Tonfolge aus, die die Empfindlichkeit des Gehörs derart beeinflussen, dass es bis ins Krankhafte gesteigert wird...
Diese Geschichte bezieht sich gekonnt auf Lovecrafts Die Musik des Erich Zann. Sie wird auch im Lovecraftschen Stil erzählt. Intellektuelle Charaktere auf der Suche nach Wissen machen eine schreckliche Entdeckung. Der Leidtragende macht dabei eine tragische Verwandlung durch. Klassisch. Und Klasse.
Kinderbescherung
Ein studentischer Weihnachtsmann wird zum St. Johannis Stift für Problemkinder bestellt. Was dann dort passiert ist so absurd und phantastisch, dass ich es nicht einmal andeuten mag, um Euch nicht den Spaß zu verderben.
Leider besitze ich diese Ausgabe des Weird Christmas nicht mehr, in der die Geschichte das erste Mal das Licht der Welt erblickte. Malte deutet an, dass er sie stark überarbeitet und mit einem neuen Schluss versehen hat. Ich würde nur zu gerne einmal die Original-Fassung lesen – wenngleich diese Version schon sehr, sehr gut ist.
Abschließend gibt es Fußnoten zu den einzelnen Erzählungen. Diese sind sehr informativ und runden das Buch ab. Die Geschichten sind sehr unterschiedlich, aber (fast) alle auf ihrer eigene Art faszinierend. Es fällt mir schwer, eine Lieblingsgeschichte herauszufiltern, weil sie alle so gut sind. Eine wirklich starke Storysammlung!
Ein Blick zurück: Titel: Nightlife, Nr. 4 |