Titel: Das Buch der lebenden Toten Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Als Kenner des Zombie-Genres weiß ich, dass die meisten Autoren der Meinung sind, es reicht, wenn Zombiegeschichten (und verfilmte Zombiegeschichten)mit einer Überdosis an Gewalt auskommen. Sie setzen auf Gedärme und Hirn statt auf Spannungsbögen und interessante Charaktere.
Nun, wenn man das, was direkt auf DVD veröffentlicht wird, als Maßstab nimmt, dann mag das sogar stimmen. Ich kenne Leute, die sich als Zombiefan outen und alles ausleihen, was Zombie im Titel hat. Mit einer ordentlichen Menge an Alkohol finden die dann auch jeden Schritt gut, und damit unterstützen sie die Vorgehensweise dieser Dilettanten, die zwar mehr oder weniger Ahnung von Trickeffekten, aber keine vom Storyaufbau haben.
Dieses Buch ist glücklicherweise anderes. Das Vorwort weißt uns schon auf witzige und intelligente Weise darauf hin, dass wir das bekommen, was wir erwarten: Langsam daherschlurfende Zombies, die nach menschlichem Fleisch gieren bis sie mit einem Kopfschuss (oder durch Kopfabhacken) gestoppt werden. Ein paar geschickt eingestreute Zitate verraten Insiderwissen und Geschmack. Darüber hinaus wird uns erklärt, dass die Herausgeber trotz allem Wert auf originelle Geschichten gelegt haben! Ein Versprechen, das sie und ihre Autoren einlösen, soviel möchte ich vorweg verraten.
Tagebuch 2901 von Simon Saier
Dieses Tagebuch beschreibt nicht, wie der Parasit die Menschen befällt, es beschreibt auch nicht, wie die Menschheit dagegen ankämpft. Oder doch. Nur, dass der Kampf von Wissenschaftlern geführt wird, die jenseits der Öffentlichkeit ein Gegenmittel suchen, um die Menschheit vor der unheimlichen Invasion zu retten. Ein verzweifelter Kampf...
Gleich die erste Geschichte ist ein absoluter Hammer. Schöne Pointe, und ein spannender Weg dorthin. Klasse, so muss eine Anthologie anfangen!
Samstag von David Grade
„... ich mache deine Mutter wieder lebendig. Das kann ich garantieren. Ich weiß nicht, ob sie richtig wieder lebendig wird oder falsch lebendig. Aber lebendig wird sie.“
Nun, dieses Zitat mag verdeutliche, was hier passieren wird. Henning wird alles tun, um seine Mutter zurückzuholen, aber was wird er tun, wenn sie nicht richtig zurückkehrt? Der Mann hat seine eigene Frau zurückgeholt, und weil er nicht tun konnte, was er tun musste, lebt diese nun in seinem Keller...
Eine hammerharte und aufwühlende Geschichte.
Mörkellaver von Frank Schweizer
Eine schwarze Katze springt auf eine Computertastatur, und eine Internetseite tut sich auf, die die Protagonisten sonst nie gefunden hätte – was besser für sie gewesen wäre...
Diese Geschichte erinnert mich eher an SAW, als an Zombie. Die Grundidee ist ganz nett, aber das war es dann schon. Man kann halt nicht immer gewinnen.
Der schöne Tom von Ingrid Kaliner
In einem kleinen Dorf werden nach dem krieg junge Männer getötet, und auch teilweise aufgefressen. Eine nette kleine Rachegeschichte, aber leider nicht sehr originell.
Mr. Z von Torsten Scheib
Dass ein Zombie Angst hat, wenn man ihm den Schädel aufsägen will, könnte darauf hinweisen, dass immer noch menschliches unter der Fassade schlummert. Ein Ansatzpunkt für den Professor und sein Team ... aber was denkt ein Zombie wirklich? Was fühlt er? Torsten Scheib verrät es und, und glücklicherweise ist die Geschichte origineller als ihr Titel!
Ronnies Vorrat von Lothar Nietsch
Ein Drogengeschäft läuft schief, und am Ende hat der Süchtige einen toten Dealer an der Backe. Der Vorteil: ein großer Vorrat an Drogen. Der Nachteil, ein winziger Vorrat an Nahrung. Und da draußen Zombies sind, mag der arme Kerl nicht bis zum Supermarkt laufen. Aber dann kommt er in seinem Drogenwahn auf die Idee, dass ihn der Tote ja nicht nur mit Drogen versorgt, sondern auch mit Fleisch. Nicht ganz frisch, aber genießbar...
Zombies und Drogen passen gut zusammen. Zumindest in dieser Geschichte. Hat mir sehr gut gefallen.
Zombie-Samurai von Marc Wiswede
Die Toten torkeln nicht nur durch Pittsburgh, auch Japan ist befallen. Und so bildet eine Familie von Samurai-Kriegern die letzte Bastion vor der Invasion.
Wenn Blade mit einem Samuraischwert gegen Vampire vorgehen kann, dann ist es bis zum Zombie Samurai nur ein kleiner Schritt. Allerdings kennt sich der Autor sehr gut mit japanischer Tradition aus (oder vermittelt zumindest dem Unkundigen, also mir, hervorragend diesen Eindruck) – und dies lässt er gekonnt ins eine Geschichte einfließen. Bis zum blutigen Harakiri. Schön!
Im Wald, allein von Ruth Kornberger
Ein einbeiniger Sportlehrer ist von seiner verweichlichten Schülerschaft so entsetzt, dass er zu verzweifelten Mitteln greift: Die Gruppe wird in einem Waldstück ausgesetzt und muss nun in die Zivilisation zurücklaufen...
Eine vollkommen absurde Idee, die jedoch mit dem überzeugenden (durchgeknallten) Charakter des Sportlehrers sehr glaubhaft rübergebracht wird. Denn da ist plötzlich ein Mädchen zuviel, und wer zurückfällt, hat nach der Begegnung mit ihr plötzlich eine unglaubliche Ausdauer. Eine Ausdauer, die den Lehrer vor eine Herausforderung stellt.
Für mich das absolute Highlight des Buches!
Sepia von Natalie Veith
In den Trümmern seiner Heimatstadt findet ein Junge eine Hand, die ihm bekannt vorkommt. Deswegen kramt er ins einer Erinnerung, wem diese Hand gehören könnte ... und er reflektiert die Situation, die beherrscht wird von einer neuen (Zombie-)Seuche, übertragen durch Geschlechtsverkehr.
Eine (selbst-)zerstörerische Sexualität ist nicht neu, eine Kombination von AIDS und Zombies schon. Trotzdem ist dies eine der wenigen schwächeren Geschichten des Buches.
Frederika und der kleine Zombie von Sören Steding
Nach Die kleine Hexe und Der kleine Vampir war es Zeit für Der kleine Zombie. Dass man in einer Kindergeschichte jedoch nicht auf Mord und Totschlag und das Fressen von kleinen Kindern verzichten muss, das zeigt diese Geschichte. Die vielleicht nicht so ganz zu den anderen passt, jedoch sehr gut zu unterhalten weiß. Auch unter Zombies braucht man mal ein wenig Abwechslung. Hihi.
Urnen aus Stahl von Maren Geselle
Diese kleine Geschichte erzählt uns, wie die Schwaben mit der Zombieplage umgehen. Die Mentalität der Schwaben ist schon was besonderes – ansonsten liest sich der Text jedoch so spannend wie ein Zeitungsbericht. Vielleicht soll er das ja auch.
Für den Fleiß der Preis von Bettina Febus
Ein Workaholic lässt sich nicht durch einen Herzanfall von der Arbeit fernhalten. Auch nicht durch einen tödlichen Herzanfall. Aber als gute Sekretärin weiß man mit so etwas umzugehen...
Sehr humorvoll, aber auch dramatisch geschildert. Das zweite Highlight des Buches!
Sand von Raouf Khanfir
Manche Menschen verspüren einen Kick, wenn sie es in der Öffentlichkeit treiben. Die Möglichkeit, erwischt zu werden, macht sie an. Das scheint auch auf dieses Pärchen zuzutreffen, die es inmitten von Zombies treiben. Wobei neben dem exzessiven Rummachen auch fröhliches Metzeln angesagt ist. Na ja, wer’s braucht...
Wiedervereint von Stefanie Lasthaus
Nichts ist so grausam, wie die Rache einer verschmähten Frau. Das weiß die Autorin hier auf eindruckvolle Weise zu bestätigen, denn ihre Stalkerin reist sogar nach Haiti, um ihren Ex in einen willenlosen Zombie verwandeln zu lassen. Klasse!
Nazi Zombie Holocaust von Michael Zandt
Nazis und Zombies. Okay, warum nicht. Was sich die Heeresleitung so an biologischer (chemischer?) Kriegsführung ausgedacht hat, das bekommen die Frontschweine am eigenen Leib zu spüren. Zumal die Impfdosen nicht für alle reichen...
Ich habe allgemein nichts für Nazis übrig, aber wie diese Herrenmenschen mit der Situation fertig werden, das liest sich spannend. Und he, die Jungs von der SS sind konsequent, dass muss man ihnen lassen.
Die perfekte Lösung von Katja Kulin
Wenn die Verurteilten von Zombies zerfleischt, dann macht die Todesstrafe wieder Spaß. Zumindest für die, die dabei zuschauen – und das sind in diesem Fall Politiker und andere VIPs. Ein kleines bisschen Sozialkritik und eine kleine Pointe. Okay, das bietet nicht viel Stoff, aber die Geschichte ist kurz und kurzweilig.
Herzensangelegenheiten von Kai Seuthe
Immer diese Spielverderber. Die VGUM (Vereinigung gegen untoten Müll) will doch tatsächlich durchsetzen, dass Zombies Maulkörbe tragen. Das kann man sich doch nicht gefallen lassen, als ernsthafter Zombieliebhaber.
Diese Geschichte ist ein wenig absurd, aber konsequent durchgedacht – und ich habe schon sehr schnell gewusst, wer der Zombie namens George ist. Seine große Brille war ein sehr deutlicher Hinweis ;-)
Unsterblich von Frank M. Vermeer
Unzählige Horrorfilme (u. a. der geniale Braindead) haben uns gezeigt, dass es zu nichts gutem führt, wenn ein Wissenschaftler die dunklen Geheimnisse primitiver Kulturen in unsere moderne Welt holen. Aber auch wenn diese Geschichte nicht so genial wie der erwähnte Film ist, so ist soe doch sehr unterhaltsam!
Zombielose Nächte von Ruth Reuter
Oh ja, hier hat jemand Dellamore Dollamorte gesehen. Ein Friedhofswärter, der sich um die Beseitigung von Zombies kümmer muss. Nur dass plötzlich keine Zombies mehr da sind. Irgendwer hat eine Marktlücke entdeckt und ... nein, das werde ich Euch nicht verraten, aber diese Geschichte weist noch ein paar interessante Aspekte auf, die in dem erwähnten Film nicht behandelt wurden. Gut gemacht..
Wunder mit Zwischenschritten von Claudia Lampert
Spätestens seit der Lazarus-Schale (Akte X) wissen wir, dass in der Bibel auch schon Zombies erwähnt wurden. Dass ein zeitreisender die Wunder der Bibel durcheinander gebracht hat, hat man dagegen gut vertuscht. Tolle Geschichte!
Nachzehrer von Tobias Egle
Im Krieg gibt es jede Menge Tote – die in dieser Geschichte als Zombies zurückkehren. Grund genug, dass Gegner zu Verbündeten werden. Denn nun geht es darum, einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen ... ganz nett. Leider kein würdiger Abschluss für das sonst so überdurchschnittlich gute Buch.
Das Schamanenerbe von Philipp Schaab
Diese Geschichte gibt es nur als Download!
Fazit: Zugegeben, nicht alle Geschichten sind gleich stark, aber letztendlich ist dies ein wirklich abwechslungsreiches Buch, das eine Menge von neuen Aspekten in die Welt der lebenden Toten offenlegt. Man merkt von der ersten bis zur letzten Seite, dass den Herausgebern das Thema sehr am Herzen lag, und dass sie aus einem
Mein Tipp für Horrorfans im Allgemeinen und Zombiefans im Speziellen – Oh Mann, Ihr werdet dieses Buch lieben!