Titel: Atomvulkan Golkonda Eine Besprechung / Rezension von Cornelius Ibs-von-Seht |

Erzählt wird die Geschichte der Eroberung der Venus aus der kommunistischen Weltsicht der Fünfziger Jahre. Eine Gruppe von Astronauten, pardon Kosmonauten bricht mit einem neuartigen Raumschiff mit Photonenantrieb auf, um endlich die Venus zu bezwingen, die schon einige frühere Missionen ins Verderben gerissen hat. Ihr erklärtes Ziel dabei ist, den geheimnisvollen Atomvulkan Golkonda zu erforschen, der seinen Höllenschlund nuklearer Prozesse in die Planetenkruste gebrannt hat. Sie sollen an seinem Fuß ein ebenes Flugfeld auskundschaften und mit Funkfeuern markieren, um für die Zukunft einen reibungslosen Raumschiffverkehr zu ermöglichen. Geplant ist nämlich die Ausbeutung der reichlichen Vorkommen schwerer und überschwerer Elemente zum Nutzen der atomtechnisch expandierenden Menschheit, vornehmlich der kommunistisch regierten. Man verspricht sich einiges von diesem energiespendenen Segen, zumindest die Begrünung der Erde von Pol zu Pol zur landwirtschaftlichen Verwendung und ähnliche Kleinigkeiten.
Die Schilderung der Venus-Abenteuer sind aus heutiger Sicht äußerst kurios. So setzt das Raumschiff nach einem konstruktionsbedingten Landeanflug im Blindflug unfreiwilligerweise in einem Sumpf auf, in dem sich urzeitmäßiges Viehzeug tummelt. Die Strugatzkis haben sich bei ihrer fiktiven Raumschiffahrt wohl von der christlichen Seefahrt inspirieren lassen. So müssen die Kosmonauten vor ihrer Abreise erstmal Säcke und Kisten mit Proviant und Munition an Bord schleppen - man muß ja schließlich was zu beißen mitnehmen und sich wehren können. Das Raumschiff ist übrigens äußerst mondän u.a. mit Bibliothek und Wannenbädern ausgestattet, sowie mit Linoleum ausgelegt. Die "Raumwölfe" können darin gemütlich pfeiferauchend Schach spielen oder sich einfach nur Witze erzählen. Beim Vorstoß zur Golkonda müssen sich die Helden mit allerlei Unbilden der Venus herumquälen, aber als echter Kommunist heißt es "Befehl ist Befehl" und man schlägt sich irgendwie durch. Wenn's pressiert, rennt man auch schon mal kurz ohne Anzug vor die Tür.
Aber der Roman ist nicht nur wegen seiner skurilen weltanschaulichen Perspektive und den archaischen Technikvorstellungen lesenswert, er fesselt auch durch eine packende Handlung und interessante Charaktere. Im Vergleich zu Ben Bovas Venus hat er die phantastischeren Schauplätze zu bieten und braucht keine überkonstruierten Beziehungsgeflechte und Zufälligkeiten bemühen, um dem Leser zu gefallen. Wer ein Faible für klassische Planetenabenteuer hat und vielleicht gerade von den aktuellen 500 bis 1000-Seiten-Wälzern übersättigt ist, empfehle ich zu versuchen, diesen Titel im Antiquariat zu besorgen.