Serie: Shadowrun, 60. Band Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Hardcore Rockgruppe "Devils Playground" und ihr Sänger Ash stehen am Beginn einer großen Karriere. Immer mehr junge Leute mögen ihre Lieder und besuchen die fast überall ausverkauften Konzerte. Ihr absoluter Durchbruch steht kurz bevor, denn die Herausgeber des erfolgreichsten Heavy-Metal-Magazins planen nicht nur ein Interview, sondern auch, die kommende Tournee zu begleiten.
Das Besondere an der Gruppe "Devils Playground" sind ihre Lieder. Sie handeln von der Toleranz zwischen Metamenschen (also den Orks, Elfen, Zwergen, Trollen und so weiter) und 'normalen' Menschen. Damit sind sie auf dem besten Weg, eine ganze Generation von Menschen und Metamenschen zu beeinflussen. Devils Playground ist damit eine sehr erfolgreiche Heavy-Metal-Gruppe. Kreischende Fans sorgen für volle Hallen. Mit ihrem Erfolg hängen sich natürlich Presse, Funk und Fernsehen an ihre Fersen. Es geht sogar so weit, dass eine bekannte Szene-Zeitschrift die Tournee begleiten will. Mit ihren sozialkritischen Texten und dem damit verbundenen Erfolg ist die Band aber den rassistischen Politclubs im Wege, die genau das Gegenteil bewirken wollen. Sie mögen weder die Band noch die fast suggestiven Texte. Ein Anschlag auf das Leben des Sängers Ash ist eine erste Warnung. Allerdings weiß der Politclub nicht, mit wem sie sich eigentlich anlegen. Weder die Band noch der Sänger lassen sich davon verschrecken. Im Gegenteil: Dieser Angriff aufs Leben des Sängers bringt Publicity. Bessere Werbung kann eine Band gar nicht haben.
Um aber noch einmal auf den Sänger zurückzukommen. Ash ist nicht nur Sänger der Band. Eigentlich ist das die bürgerliche Tarnung seines Lebens als "Quickshot" der Shadow-Runner. Doch niemand ist in der Lage, sich sein ganzes Leben lang hinter einer Maske zu verstecken und die Vergangenheit zu vergessen. Ein Doppelleben zu führen ist nicht sehr einfach und geht in der Regel nicht gut aus. Als Quickshot ist er schnell, skrupellos und misstrauisch, und damit ein begehrter Mann in den Schatten, der seine Aufträge als eiskalter Profikiller pünktlich und korrekt ausführt. Er war es auch, der mit seinem Geld immer mal wieder die Band unterstützte. Als Schattenläufer gelingt ihm der letzte Auftrag nicht besonders, denn er wird dabei hereingelegt. Und irgendwie scheint es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr so gut zu laufen. Weitere Menschen in seinem Umkreis sterben, und letztlich explodiert der Bus der Band und nur er kommt lebend davon. Ab diesem Augenblick macht er Jagd auf die Hintermänner des Anschlages und gelangt wieder zum Ausgangspunkt der Erzählung. Denn der Politclub kommt wieder ins Spiel. Und irgendwann kommt es zum großen Gegenschlag. Ash/Quickshot ist ein Mensch, der krampfhaft versucht, ein Doppelleben zu führen, und bald darüber vergisst, welches denn sein echtes Leben ist.
Da gibt es noch den Ex-Runner Taurus, der als Leibwächter für Devils Playground arbeitet. Die implantierte Cyberware des Trolls macht ihm zu schaffen, und der Job wirft nicht genug Geld ab, um sich mit neuer Cyberware auszustatten. Da kommt der neue Job gerade recht, einen Mordauftrag für einen gewissen Quickshot auszuführen. Allerdings gerät er bei seinem Auftrag in eine Falle, als er die Zielperson aufsucht.
Und dann gibt es noch das kleine Orkmädchen, das sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht und immer wieder auftaucht. Sie ist der gefühlsmäßige Anker, den Ash benötigt und der ihm schließlich den Halt gibt, den er schon immer gesucht hat.
Die Darsteller von Lara Möller haben es in ihrer Geschichte nicht leicht. Sie gibt ihnen schlimme Erinnerungen und böse Erfahrungen mit auf dem Weg. So vorbelastet, sind sie die erklärten Verlierer, deren Streben es ist, einmal die Sonnenseite des Lebens zu sehen. Mit ihrer Leidensgeschichte sind sie aber auch die zähen Figuren, die es schaffen, sich überall durchzusetzen. In vielen Wesenszügen dieser literarischen Geschöpfe findet man auch einen Teil der Autorin selbst wieder. Ash, die Hauptfigur aus dem Roman, ist eine zwiespältige Persönlichkeit. Auf den ersten Blick kann er keiner Fliege etwas antun, doch als Quickshot macht er genau das, ohne Gewissensbisse. Ein wenig Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
Der Roman ist sehr gut geschrieben. Die Stimmung passt, die Beschreibungen der Personen stimmen, und sie sind vor allem glaubhaft. Lara Möller versteht es dabei ausgezeichnet, die Stimmungen der einzelnen Personen den Lesern nahe zu bringen. Beeindruckend war besonders die Beschreibung des Konzertes. Wenn ich es nicht besser wüsste, ich würde sagen, hier hat die Band "Blind Guardian" mit einem Konzert Pate gestanden. Es ist auch die Stelle, wo ein Orkmädchen zum ersten Mal auftritt und an erzählrelevanten Stellen immer wieder auftaucht. Mit diesem erzählerischen Trick hält Lara Möller den Spannungsbogen hoch, und die Erzählung ist dadurch immer wieder überraschend.
Der Roman erschien bereits bei Fantasy Productions und nun hier in einer Überarbeitung als sechzigster Band der Reihe.