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Titel: Angriff aus dem Netz Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der 16-jährige Schüler Sam ist ein erfolgreicher Hacker - sich in das Computernetz des Weißen Hauses, des Machtzentrums der westlichen Welt, einzuhacken, schafft nicht jeder. Allerdings sollte man nicht erwischt werden. Dann wäre man der beste Hacker. Sam hingegen wird erwischt und belegt für einige Zeit das Schulfach Knastologie und Gitterkunde. Nach den Gesetzen der Vereinigten Staaten von Amerika kann er für den Rest seines Lebens weggesperrt bleiben. Keine besonders guten Aussichten für jemanden, der die Freiheit liebt, das zu machen, was er will. Glücklicherweise ist Sam nicht auf den Kopf gefallen und setzt seine Fähigkeiten dazu ein, den ungewollten Studiengang Knastologie und Gitterkunde abzubrechen. Sams Freude über die Flucht währt nicht lange, denn er bleibt im Mittelpunkt des gesteigerten Interesses verschiedenster Personen und wird wieder erwischt. Die Regierung erkennt in dem Hacker eine Person, die man nicht zum Feind haben sollte und erklärt sie zum Freund. Sam erhält einen Job, der ihn nicht zurück in den Knast befördert. Im Gegenteil, sein neuer Job ist sehr gut bezahlt und macht ihm dazu auch noch Spaß. Im Auftrag der amerikanischen Regierung soll er seine Fähigkeiten auf der Seite der Guten (?) einsetzen. Ein Traumjob für den Jugendlichen. Sein neues Leben beginnt gut, doch nach kurzer Einarbeitung tritt der Ernstfall ein. Eine Attacke auf das gesamte Computernetz der Welt legt einen Rechner nach den anderen lahm (darunter geht es wohl nicht mehr). Sam erkennt einen Zusammenhang zu den neu entwickelten Neuro-Headsets. Sie ersetzen nicht nur Maus und Tastatur, mit ihnen kann man ohne Umweg Musik und Spiele direkt im Hirn erleben. Der letztere direkte Eingriff stellt aber auch eine Gefahr dar. Sam, der inzwischen seine Freunde aktivierte, sucht verzweifelt nach einer Lösung, um die weltweite Bedrohung abzuwehren. Und wieder einmal wird Sam zum Gejagten.
Brainjack, so der Originaltitel des spannenden Buches, ist ein rasantes und vor allem fundiert recherchiertes Buch. Den Titel Brainjack könnte man am ehesten mit Gehirnbuchse übersetzen. Vorbild für die Neuro-Headsets dürften solche Maschinen sein, wie sie der geniale Wissenschaftler Hawkins benutzt. Auf diese Weise hätte man schnell eine willfährige Bevölkerung und könnte ohne lästige Wahlen, Einsprüche und Gegenorganisationen herrschen.
Cyberpunk ist eine Literaturgattung, die sich nie damit aufhielt, eine freundliche Welt zu entwickeln. Bald wurden aus den Romanen eine Art Krimi mit einem Untergangsszenario, wie sie später in den Shadowrun-Romanen und –Spielen gang und gäbe waren. Cyberpunk ist eine Art Gegenliteratur innerhalb der SF. Sie prangert die Unfähigkeit der Politik und die Macht der Konzerne an (jüngstes Beispiel Kanzlerin Merkel und die Atomlobby), die die Angst der Menschheit schüren und gleichzeitig deren Hilf- und Machtlosigkeit ausnutzen. Die Konsolen-Jockeys der Autoren Bruce Sterling, Greg Bear, Walter Jon Williams, Julius Shepard sind älter und härter als der Sam dieser Erzählung. Auch ist die Thematik besser, oder sagen wir treffender: anders ausgearbeitet. Ihre Cyber-Helden nutzen das Netz, um zu es unterwandern, um kriminelle Aktivitäten durchzuführen, und finden sich immer in die Ecke des Robin Hood gedrängt, da sie sich immer an „noch böseren Organisationen“ bereichern. In einigen der Romane wird auch mal die Welt gerettet. Seit den 1980er Jahren versucht man immer wieder mittels Technik direkten Zugriff auf den menschlichen Körper zu erhalten und damit eine Symbiose beschreiben, ohne dass aus dem Menschen gleich ein Cyborg wird, dessen technische Ausstattung die menschlichen Körperteile voll ersetzt. Die zurzeit zur Verfügung stehende Technik ist aber schon viel weiter als vor zwanzig Jahren, als sich das Thema Cyberpunk ausbildete. Eine Exkursion zum Thema Cyberpunk sollte an anderer Stelle geführt werden.
Doch zurück zum Buch selbst. Brian Falkners Angriff aus dem Netz entwickelt sich zu einer Dystopie, die sich als ein Thriller der Jetztzeit darstellt. Seine Helden um Sam innerhalb der Cyber Defense Divison - kurz CDD genannt - sind zwar ziemlich jung, wirken aber in einem sehr erwachsenen Roman mit. Wer das Buch liest, wird vieles für Technogebabbel und Fachidiotengeschwätz halten. Davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, man muss kein Systemadministrator sein, um diese Teile zu verstehen. Ein preisgekröntes Jugendbuch, das zurecht den Weg nach Deutschland gefunden hat.