| Serie / Zyklus: Werke in Einzelausgaben, Band 2 Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Der Steinmüller-Kurzgeschichtenband Warmzeit endet mit dem Aufbruch von Sternenschiffen, um ferne Planeten in anderen Sonnensystemen zu besiedeln. Knapp zwei Jahrzehnte bevor das eine Schiff sein Ziel erreicht, wird eine Gruppe von acht Kindern künstlich erzeugt. Ihre Mütter und Erzieher sind die Rammas und Guros, d. h. Androiden mit unterschiedlichen Funktionen. Zuerst dürfen sich die Heranwachsenden nur in wenigen Bereichen des Schiffes aufhalten, u. a. in einer künstlichen Naturlandschaft. Zu den Erstgeborenen zählt Beth, der die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt.
Mit zunehmenden Alter erhalten die Menschen Verantwortung über die Schiffssysteme. Nach und nach werden weitere Gruppen in den Inkubatoren gezeugt. Die Zielwelt Andymon erweist sich bei der Ankunft als unwirtlicher Planet, der erst terraformt werden muss.
In drei Teilen wird die Reise der Menschen erzählt. Im ersten Teil "Das Schiff" wachsen sie auf dem Raumschiff auf und müssen über sich selbst und ihre Bestimmung lernen. Hier wird bereits der Erkundungsdrang der jungen Siedler sehr deutlich.
Der zweite Teil handelt von der Terraformung Andymons, den damit verbundenen unterschiedlichen Hoffnungen und Vorstellungen. Die Schwierigkeiten und Streitereien in der Gesellschaft werden im dritten Teil besonders deutlich. Doch letztlich finden alle zusammen in dem Bemühen eine neue Welt aufzubauen.
Die Autoren Angela und Karlheinz Steinmüller erzählen auf spannende Weise, wie die Siedler die Welt Andymon langsam in Besitz nehmen. Spannungen über die richtige Vorgehensweise bleiben nicht aus. Der Zusammenhalt innerhalb der Gruppen ist stärker, als zwischen ihnen. Beth möchte am liebsten gleich ein weiteres Schiff bauen, um es auf die Reise zu schicken. Andere sehen darin nur eine Verschwendung der Ressourcen. Die Gruppe der Erstgeborenen hat längst nicht so eine starke Bindung an den Planeten wie die späteren Gruppen, die in Andymon ihre Heimat sehen und sich deshalb weniger für den Weltraum interessieren. Und wiederum eine ganze Gruppe zieht sich zurück und bildet ein Geisteskollektiv, das aber nach mehreren Jahren scheitert.
Eine Weltraum-Utopie lautet der Untertitel des Romans. Am besten funktioniert diese ideale Gesellschaft auf dem Schiff. Da Informationen über die Ursprungswelt Erde weitgehend fehlen, müssen sich die Siedler ihren Weg und Bestimmung selber suchen. Und das gelingt ihnen bis auf kleine Abweichungen sehr gut.
Andymon zeichnet sich durch einen großen Optimismus aus, der an manchen Stellen fragwürdig erscheint. Alternativen Entwicklungsmöglichkeiten werden keine großen Chancen eingeräumt. Und so löst sich das Geisteskollektiv, das überragende technische Erfindungen hervorbringt, nach einiger Zeit von selbst auf. Seine Mitglieder müssen wieder als Individuen handeln, werden aber bereitwillig von den anderen Siedlern unterstützt. Erzählerisch ist das Buch überaus gelungen. Liest sich Andymon anfangs noch wie ein Jugendbuch, ändert sich das nach und nach mit dem Alter der Protagonisten. Dieser Wandel und die Besiedelung des Planeten binden den Leser ein und vermitteln ein glaubwürdiges Bild einer "wünschenswerten" Gesellschaftsform. Spannend wird es gerade durch die wenigen Stellen von oppositionellem Handeln und Fragen, die sich mit der Richtigkeit des Tuns beschäftigen. Wünschenswert wäre es gewesen, die Ambivalenz zwischen Selbstbestimmung und dem Funktionieren als Gesellschaftselement stärker hervorzuheben. Ob das jedoch im Veröffentlichungsjahr 1982 in der DDR möglich gewesen war, ist zu bezweifeln.
Die Steinmüllers gehen zudem auf die Problematik virtueller Realitäten ein und greifen dabei auf Kobo Abes Erzählung Das Totaloskop (1960) zurück.
Im Nachwort gehen Angela und Karlheinz auf die Entstehung ihres Romans ein und schildern die Schwierigkeiten einer Veröffentlichung in der DDR. 1986 wurden sie von Berliner SF-Fans gefragt, ob der Club nach Andymon benannt werden darf. Der SF-Club Andymon besteht übrigens noch heute.
Andymon ist ein intelligent erzählter Roman mit einer dichten Atmosphäre, ruhigen und spannenden Momenten. Fazit ist, dass der zweite Band der Werkausgabe aus dem Shayol-Verlag ein schöner utopischer Roman ist.
Inhalt:
5 Teil I. Das Schiff
93 Teil II. Andymon
189 Teil III. Und mehr als Andymon
289 Anhang 1. Die Schiffsgeborenen
290 Anhang 2. Hymne des Planeten Andymon. (von Erik Simon)
291 "Dieser Satz hat das Buch gerettet". Der lange Weg zu Andymon. Ein Nachwort der Autoren
Originalausgabe
Angela und Karlheinz Steinmüller
Andymon. Eine Weltraumutopie
Berlin: Verlag Neues Leben, 1982
Neuausgabe
Angela und Karlheinz Steinmüller
Adymon. Eine Weltraumutopie
Berlin: Shayol Verlag, 2004
Andymon - Rezensionsübersicht